Der Endspiel-Experte: Didier Deschamps
Saint-Denis (dpa) - Didier Deschamps weiß, wie man EM-Endspiele gewinnt. Er kennt sogar das Gefühl, im Stade de France als Titelträger bejubelt zu werden. Nur spricht er nicht mit seinen Spielern über dieses Finale der Fußball-Weltmeisterschaft 1998 in Saint-Denis.
„Was zählt, ist ihre Geschichte“, betont Deschamps immer wieder während der EM, die seine Équipe tricolore an der Stätte des einstigen WM-Triumphes mit dem EM-Gewinn im Finale krönen will. „Das ist natürlich ein wichtiger Moment in meiner Karriere“, sagte Deschamps am Samstag bei der Pressekonferenz vor dem Endspiel gegen Portugal.
„Ohne ihn stünden wir jetzt nicht hier und würden uns über das Finale unterhalten.“ Dieser Satz fiel nicht bei der EM. Aimé Jacquet formulierte ihn vor dem Endspiel 1998 über Deschamps. Jacquet war damals das, was Deschamps seit Sommer 2012 ist: Cheftrainer der französischen Fußball-Nationalmannschaft.
Deschamps war damals der Aufräumer im Mittelfeld, er war aber auch und vor allem der Kapitän. Dass ein fußballerisch begnadeterer Zinedine Zidane mit seinem Können glänzen konnte, war auch ein Verdienst des Arbeiters Deschamps. 103 Länderspiele bestritt der ehemalige Rekordkapitän für Frankreich.
„Schicksal ist Schicksal. Man kann es beeinflussen, aber jeder hat sein Schicksal“, meint Deschamps. Seines war ihm offensichtlich gewogen: Fünfmal stand Frankreich im Endspiel einer EM oder WM - dreimal zählte Deschamps zu den Protagonisten. „Ich kann mich nicht beklagen“, sagt Deschamps. Als Trainer erfülle ihn nun genauso Stolz wie seine Spieler. „Dieses Trikot, das ist das Schönste, das mir passiert ist und auch für die Spieler gibt es nichts, was darüber steht.“
Deschamps hat das Bewusstsein der Spieler, zu den wenigen Auserwählten zu gehören, die eine ganze Nation vertreten, wieder geschärft. Auch mit seinen Methoden. Deschamps ist konsequent. Disziplin ist eine der Vorgaben. Er konnte den Erpressungsskandal um Karim Benzema und Mathieu Valbuena nicht verhindern, er handelte aber und schloss beide für die EM aus. Sportlich eine gewagte Entscheidung, weil eigentlich eine Schwächung des Teams. Gleichwohl fragte am Samstag der Sender „Equipe21“ in seinem Programm: „Haben die, die fehlen, die Mannschaft früher stärker gemacht?“
Fragezeichen hinter dem Team, das Deschamps auf den Weg ins Finale schickte, gab es von Anfang an. Kritik am Coach ebenfalls. So richtig (be)greifen kann wohl niemand die Spielweise der Franzosen.
Deschamps wechselte die Systeme, Deschamps tauschte in den ersten Spielen jedesmal die Startelf. Und doch führte er sein Team, aus dem Einzelspieler wie EM-Top-Torjäger Antoine Griezmann herausragen, ins Endspiel. Womöglich war auch die Entscheidung, Griezmann nach einem enttäuschenden Auftakt im zweiten Spiel zunächst auf der Bank zu lassen, genau die richtige: Danach legte der 25-Jährige richtig los.
Es war nicht die einzige mutige Entscheidung. Deschamps setzte im EM-Viertelfinale auf einen Debütanten - und ließ Samuel Umtiti nach dessen starkem Auftritt gegen Island auch gegen Weltmeister Deutschland ran. Mit Erfolg.
Deschamps handelt rein pragmatisch. Die Erfahrungen von der WM 1998 im eigenen Land, als ebenfalls ein riesiger Druck auf der Mannschaft lastete, helfen ihm bei allem, was er tut. „Das nützt mir als Trainer“, sagte er. Bei den Spielern nehme er aber keinen Bezug darauf. Sie wissen auch so, dass ihr Trainer weiß, wie man Endspiele gewinnt.