Die Kanzlerin zwischen Euro-Krise und EURO-Kick
Berlin (dpa) - Bundestrainer und Bundesregierung sind sich einig. Trotz aller politischen Brisanz sei das EM-Viertelfinale zwischen Deutschland und Griechenland „ein ganz normales Spiel“, versichert Joachim Löw.
„Die Politik ist außen vor.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird während der Partie zwar auf der Tribüne sitzen, aber um Politik soll es bestenfalls am Rande gehen. „Das ist der Tag des Sports“, betont auch Vize-Regierungssprecher Georg Streiter in Berlin.
Doch wenn mitten in der Euro-Krise ausgerechnet der vermeintliche Musterschüler und das größte Sorgenkind gegeneinander kicken, lässt sich die politische Dimension nicht ganz ausblenden - zumal es am Spielort Danzig zum Aufeinandertreffen von Merkel und Griechenlands gerade gekürtem Regierungschef Antonis Samaras kommen könnte. „Ich würde mich von meiner Seite aus freuen, wenn er auch nach Danzig käme“, sagte Merkel - eine deutliche Einladung an den neuen Mann in Athen.
Zwei Tage zuvor war in Berlin noch keine Rede davon, dass die Bundeskanzlerin zum Griechenland-Spiel nach Polen reisen würde. „Dann müsste sie sich schon hinbeamen“, sagte ihr Sprecher und verwies auf Terminprobleme. Nur wenige Stunden vor dem Anpfiff sollte Merkel nämlich eigentlich nach Rom kommen, um sich dort mit Italiens Regierungschef Mario Monti, dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy und Frankreichs Präsidenten François Hollande zu treffen.
Doch weil Merkel um eine Verlegung gebeten hatte, wurde das Treffen um zwei Stunden vorgezogen. Ob das auch passiert wäre, wenn es tatsächlich nur um Fußball ginge? Mit einem gemeinsamen Auftritt in Danzig könnten Merkel und Samaras die zuletzt gereizte Stimmung zwischen beiden Ländern zumindest ein wenig beruhigen. Wegen des harten Sparkurses der Kanzlerin waren vielen Griechen in den vergangenen Monaten ziemlich schlecht auf Deutschland zu sprechen.
Einige griechische Medien haben die Stimmung zuletzt sogar noch weiter angeheizt, indem sie die Bundesrepublik in die Nähe von Nazi-Deutschland rückten. Der Kellner einer Athener Bar hält nach dem Abpfiff sogar Übergriffe für möglich: „Wenn die Griechen gewinnen und zum zentralen Omonia-Platz ziehen (...), dann würde ich mich dort nicht unbedingt als Deutscher outen - da sind viele Idioten unterwegs.“
Die meisten Deutschen in Griechenland werden das Spiel ohnehin vor dem heimischen Fernsehgerät verfolgen. „Man bleibt eher unter sich“, sagt Christina von Pabrutzki aus Speyer, die seit Februar in Athen wohnt. Die Angst vor antideutschen Übergriffen halte sie aber für übertrieben. Thomas Papadopoulos, der in einer Bar in der Zeitung blättert, gibt sich ebenfalls gelassen. „Einige Leute haben hier nichts zu essen, denen ist das Fußballspiel egal“, sagt er. Ob Merkel nun in Danzig sei oder nicht, bedeute ihm nicht viel. „Politik ist nicht Fußball, und Fußball ist nicht Politik.“
Ähnlich sieht das auch der griechische Nationalspieler Georgios Samaras. Der Namensvetter des neuen Athener Regierungschefs weist sämtliche Spekulationen über eine politische Dimension der Partie zurück: „Das ist ein Spiel - nichts anderes.“