Englische Medien fordern Revolution und Neuaufbau

London (dpa) - Fußball-England hilft nur noch eine Revolution. „Sonst stellen wir uns auch am Ende der WM 2022 wieder die gleichen Fragen“, stellte Liverpools Jamie Carragher nach dem Viertelfinal-Aus bei der EM gegen Italien süffisant fest.

Auch zahlreiche Medien forderten am Dienstag eine radikale Umstrukturierung oder sogar einen Neuaufbau ohne die Altstars John Terry, Frank Lampard und Co.. Englands Nationalcoach Roy Hodgson nahm's gelassen - und versprach bei seiner ersten Aufarbeitung der EM-Mission eine Revolution und eine Evolution.

Bereits beim Testspiel am 15. August erneut gegen Italien sollen erste Indizien der angestrebten Weiterentwicklung sichtbar sein. „In diesem Spiel werden sie bestimmt eine gewisse Revolution sehen“, prophezeite Hodgson und meinte damit eine verstärkte Integration aufstrebender Talente wie Jack Wilshere (Arsenal), Kyle Walker (Tottenham), Tom Cleverley (Manchester United), Daniel Sturridge (Chelsea), Jack Rodwell oder Ross Barkley (beide FC Everton). Auch die EM-erprobten Danny Welbeck (ManUnited), Theo Walcott, Alex Oxlade-Chamberlain (beide Arsenal) und Jordan Henderson (Liverpool) sollen in Zukunft mehr Einsatzzeiten bekommen.

Ohne die altbewährten Facharbeiter gehe es, so Hodgson, aber trotzdem nicht. Liverpools Steven Gerrard soll Kapitän bleiben, John Terry Abwehrchef, Frank Lampard nach überstandener Verletzung ins Mittelfeld zurückkehren und Wayne Rooney weiter die Offensive anführen - auch wenn der Superstar von Manchester United bei seinem vierten großen Turnier nicht überzeugt hat. Auch Gareth Barry (Manchester City), bei der EM ebenfalls verletzt, wird wieder in die Mannschaft kommen.

„Wir müssen auf zwei Dingen, die wir bei diesem Turnier gelernt haben, aufbauen“, erklärte Hodgson, „wir müssen unsere defensive Disziplin, die Organisation und den Teamgeist behalten und klar machen, wer das England-Trikot tragen will, muss bereit sein, das Letzte aus sich rauszuholen.“

Für die zahlreichen Kritiker sind Kampf und Einsatz allein viel zu wenig, um bei einem großen Turnier in naher Zukunft die große Titel-Sehnsucht der Engländer zu erfüllen. „England hat einfach nicht die Spieler, um auf diesem Niveau Erfolg zu haben“, kommentierte der „Telegraph“. Eine engere Zusammenarbeit zwischen der Premier League und der FA wird gefordert, und auch Technik und Taktik wurden moniert. „Wir liegen technisch weit hinter den internationalen Supermächten“, stellte Carragher fest.

Ex-Nationalcoach Graham Taylor hält Hodgsons 4-4-2-System für antiquiert. Die meisten Mannschaften würden das Mittelfeld stärken und über vermehrten Ballbesitz die eigenen Kräfte schonen. „Die englischen Spieler wurden im Verlauf des Turniers immer müder“, meinte Taylor.

„Was nun, England? Hodgson sucht nach der Methode im Chaos“, schrieb die Londoner „Times“. Für Verbandspräsident David Bernstein hat der Trainer seine Methode längst gefunden. „Das Glas ist halbvoll. Die EM hat viel Positives gebracht, die Leistung, die Einstellung und den Zusammenhalt der Mannschaft. Roy hat sehr schnell großen Einfluss auf das Team genommen, genau das haben wir von ihm erwartet“, erklärte der Boss der englischen Football Association. Hodgson hatte als Nachfolger des Italieners Fabio Capello erst am 1. Mai einen Vierjahres-Vertrag als Nationaltrainer unterschrieben.

Die EURO war immer als Vorbereitungsturnier für die WM 2014 in Brasilien deklariert worden. Am 7. September steigt in Moldawien das erste Qualifikationsspiel, vier Tage später geht's zu Hause gegen die Ukraine.

Sein Team habe in Polen und der Ukraine die Basis für eine bessere Zukunft gelegt, so Hodgson und nahm sich ausgerechnet das deutsche Modell zum Vorbild: „Schauen Sie, wo die Deutschen 2006 standen. Sie hatten eine junge Mannschaft, die nicht jeder kannte, sie hatten einen neuen Trainer und noch einige erfahrene Spieler. Jeder hat gesehen, was sich seitdem daraus entwickelt hat. Daran müssen wir uns orientieren.“ Rooney freut sich sogar auf „eine aufregende Zukunft.“