Enttäuschung und Party der Fans, Randale von Chaoten

Berlin (dpa) - Enttäuschung und Frust bei den deutschen Fußballfans: Nach dem EM-Aus der Nationalmannschaft sind in der Nacht zu Freitag hunderttausende Fans mit hängenden Köpfen, traurigen Blicken und extrem leise vom Public Viewing nach Hause geschlurft.

Viele bekämpften das Gefühl der Niedergeschlagenheit mit einigen Bieren und wollten nur vergessen - während die Italiener in Deutschland mit Autokorsos, reichlich Wein und Gesang den Einzug ihrer Elf ins EM-Finale am Sonntag feierten. Meist blieb es ruhig und friedlich, doch bei einigen Hitzköpfen entlud sich die Enttäuschung über die 1:2-Niederlage Deutschlands in Frust und Aggression gegen den Sieger.

Nur mit Mühe konnte ein starkes Polizeiaufgebot in Wuppertal ein Aufeinandertreffen von rund 800 Anhängern der deutschen Elf und 600 italienischen Fans verhindern. Gegen die Deutschen setzten die Beamten Pfefferspray ein. In der Innenstadt bewarfen deutsche Fans Italiener mit Spaghetti. 13 Leichtverletzte zählte die Polizei nach der Randale, 29 Menschen wurden zeitweise festgesetzt oder kamen in Gewahrsam. Ein Gewitterregen setzte dem Spuk schließlich ein Ende.

„Was in Wuppertal passiert ist, ist verwerflich und hat nichts mit Sport zu tun“, sagte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). „Das sind Gewalttäter.“ Er wies darauf hin, dass es bei hunderten Public-Viewing-Veranstaltungen in Nordrhein-Westfalen friedlich geblieben sei.

Nicht so in Grevenbroich, wo ein Wagen mit Italien-Fans von Deutschland-Anhängern angegriffen wurde. Es kam zu einer Prügelei, bei der drei Menschen verletzt wurden. In der Innenstadt wurde zudem ein 18-jähriger von sieben italienischen Fans angegriffen und leicht verletzt. In Marl im Kreis Recklinghausen richtete sich die Aggression von 250 enttäuschten Fans gegen die Polizei, auf die Flaschen flogen. Unruhig ging es auch in Essen und Neuss zu, wo sich deutsche Fans vom Jubel der Italiener provoziert fühlten.

In Wolfsburg, einer Hochburg der Italiener in der Bundesrepublik, konnte die Polizei nur mit Mühe Randale zwischen Anhängern beider Länder verhindert. „Es war der übliche Wahnsinn“, sagte Polizeisprecher Thomas Figge. 750 Italiener hätten friedlich und mit einem Autokorso den Triumph ihrer „Squadra Azzurra“ gefeiert, als sie von einigen wenigen deutschen Fußballanhängern angegriffen wurden, die versuchten, den Korso zu stoppen. Die Beamten nahmen diverse Randalierer zwischenzeitlich in Gewahrsam.

Etwa 2000 italienische Fans feierten auf der Münchner Leopoldstraße den Sieg. Die rund 20 000 deutschen Fans gingen traurig und früh nach Hause. Insgesamt war die Lage der Polizei zufolge weitgehend ruhig - ebenso beim größten Public Viewing der Stadt, im Olympiastadion. Bei 30 000 Fußball-Fans gab es dort sechs Festnahmen.

Auch ansonsten gab es sehr viele friedlich-fröhliche Italo-Partys: In Osnabrück legten 250 feiernde Tifosi den Verkehr am Neumarkt für eine Stunde lahm, durch Wuppertal rauschte ein laut hupender Autokorso aus Hunderten von Wagen, in der Kölner Südstadt waren einige Straßenzüge in ein grün-weiß-rotes Fahnenmeer gehüllt.

Auf der größten Fanmeile Deutschlands in Berlin soll trotz des deutschen EM-Ausscheidens auch das Endspiel am Sonntag zu einer Fußballparty werden. Für das Match Spanien-Italien werde wieder das gesamte Gelände zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule genutzt, der Fan-Park werde nicht verkleinert.

Zudem sei zum Abschluss der EM in Polen und der Ukraine eine kleine Feier geplant, mit einer Lasershow oder einem Feuerwerk. „Schließlich ist es ja das Finale“, sagte die Fan-Park-Sprecherin Anja Marx. Dennoch gibt sie sich keinen Illusionen hin: „Ich glaube nicht, dass es voll wird.“ Anders als bei den Deutschlandspielen, zu denen jeweils geschätzt mehr als 400 000 Menschen gekommen waren und die Meile regelmäßig geschlossen werden musste.

Auf jeden Fall dürfte es in der Nacht zu Montag in Deutschland wieder etliche Jubelfeiern geben: Immerhin leben hierzulande eine halbe Million Italiener sowie gut 110 000 Spanier - eingedeutschte Südeuropäer nicht eingerechnet.