„Es ist nur Fußball“ - Athen vor dem Viertelfinale

Athen (dpa) - Die deutschen Fußballtrikots hat Giorgos Karalis heute mal nach hinten geräumt. Stattdessen streckt er sein Lieblings-Shirt in die Luft. „Karagounis“, steht da drauf, der Name des Kapitäns der griechischen Nationalmannschaft.

„Griechenland wird am Freitag das Viertelfinale gegen Deutschland gewinnen, das ist klar“, sagt er - auch wenn Giorgos Karagounis ausgerechnet in diesem brisanten Duell wegen zweier gelber Karten gesperrt ist.

Karalis verkauft am Fuße der Akropolis Fußballtrikots. Während er spricht, zieht an ihm eine deutsche Touristengruppe vorbei. „Ich habe nichts gegen Deutsche“, sagt er und deutet mit dem Kopf auf die Gruppe, die versucht, sich mit einem Stadtplan zu orientieren. „Aber was bei euch in der Presse über die angeblich faulen Griechen verbreitet wird, finde ich schlimm.“ Beim Fußballgucken am Freitag erwartet er indes keine Probleme. „Du kannst hier so laut wie du willst für Deutschland jubeln, es ist nicht gefährlich.“

Auch Antonis Aktar, ein Barbesitzer im Touristenviertel Plaka, hegt keine Rachegefühle. „Hier kommen Deutsche und Griechen zum Fußballschauen, es ist doch Blödsinn, dass es da Streitereien geben könnte. Wir haben hier ganz andere Probleme.“ Aber natürlich werde Griechenland gewinnen, keine Frage. „Dann könnten wir es Merkel zeigen“, sagt er. Für die griechische Seele sei ein Sieg viel wichtiger als für Deutschland. „Wenn Griechenland gewinnt, dann geht es uns besser“, sagt er und fügt nach einer Pause hinzu: „zumindest die nächsten Wochen“. Sport als Balsam für die geschundene Seele.

Unter deutschen Touristen gibt es viel Verständnis für die Lage Griechenlands. „Ich würde ihnen schon einen Sieg gönnen - aber der ist ja ziemlich unwahrscheinlich“, sagt Silvia Kovatsch aus Bochum. Sie und ihr Mann Mike werden das Spiel allerdings wohl am Flughafen gucken, auf dem Rückweg nach Deutschland. Also: Alles easy in Athen?

In den Medien wird zwar in kriegerischer Sprache Stimmung gemacht. Vom „Sieg der nationalen Einheit“ ist die Rede oder von einer „Fremdherrschaft“ der Deutschen. Auf der Straße scheint die Lage aber anders, keine Spur von wildgewordenen Patrioten. Völlig gefahrlos konnte sich zum Beispiel Wolfgang Ernst aus Essen bisher mit seinem Deutschland-Shirt durch die Athener Innenstadt bewegen. „Niemand hat sich daran gestört, es gab keine Pöbeleien, nichts.“ Überhaupt findet er, dass zu viel in das Spiel hinein interpretiert werde: „Das Problem haben doch die Politiker, nicht die Fußballer.“ Es spiele ja nicht der griechische Finanzminister gegen den deutschen.

Auch über Sparauflagen oder neue Milliarden für den Pleite-Staat wird nicht auf dem Rasen entschieden. Die politische Krise dürfe nicht auf dem Rücken der Mannschaft ausgetragen werden, schreibt die Sportzeitung „Goal News“. Und so steht über einem Foto von Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Entspannt euch, es ist nur Fußball.“