Flemming Povlsen: EM-Sieg wie 1992 passiert nur einmal
Stuttgart (dpa) - Erst geht es gegen die Niederlande, später gegen Deutschland und niemand traut den Dänen bei dieser EM irgendetwas zu: Das alles kommt Flemming Povlsen ziemlich bekannt vor.
„Man muss schon ein Däne sein, um zu glauben, dass wir in dieser Gruppe weiterkommen können“, sagt der frühere Stürmer von Borussia Dortmund und lacht dabei. „Das Hirn sagt mir: Das ist nicht möglich. Das Herz sagt aber: Man muss nur 20 Jahre zurückschauen.“
Vor 20 Jahren reisten die Dänen schon einmal als Außenseiter zu einer EM. Als Spaßfußballer abgetan, schlugen sie im Halbfinale die Holländer mit Gullit und van Basten und dann im Endspiel den Weltmeister Deutschland. Flemming Povlsen war damals in jedem Spiel dabei. Er ist heute 45 Jahre alt und Co-Trainer bei Silkeborg IF in Dänemark, aber die Euro 92 lässt ihn nie mehr los. „Wir treffen uns jedes Jahr“, sagt er über Brian Laudrup, Peter Schmeichel und all die anderen alten Helden. „Wir machen ein Spiel zusammen, feiern und lachen. So etwas wie dieser Erfolg kommt im Leben nur einmal vor.“
Die dänische Mannschaft von damals ist ein Mythos - das verdankt sie vor allem den skurrilen Umstände ihres Erfolgs. Die Dänen rückten 1992 erst zehn Tage vor der EM für die ausgeschlossenen Jugoslawen nach. Man sagt ihnen nach, schon damals mehr gefeiert als trainiert zu haben. „Die Geschichten über uns werden jedes Jahr besser“, sagt Povlsen und lacht dabei schon wieder. Man müsse sie zwar nicht völlig neu schreiben, aber hier und da ein wenig zurechtrücken.
Da ist zum Beispiel die Legende, dass die Dänen quasi vom Strand weg zu diesem Turnier aufbrachen und auch dort alles sehr leicht und locker nahmen. Tatsächlich aber hatten sie eine große Angst davor, sich zu blamieren. „Ich war gerade auf einer Freundschaftsspiel-Tour mit dem BVB, als im Bus der Anruf kam: Ihr müsst zur EM“, erzählt Povlsen. „Mein erster Gedanke war: Da verlieren wir jedes Spiel.“
Noch unmittelbar vor der EM lief nicht viel zusammen beim späteren Europameister. „Unsere Leistungen waren nicht so, dass die Leute hinter uns standen“, erinnert sich Povlsen. Der Trainer lag im Clinch mit den Medien, der beste Spieler Michael Laudrup sagte ab. Erst das 0:0 im ersten Spiel gegen England machte den Dänen Mut. „Da haben wir gesehen, dass wir mithalten können. Der Glaube an uns wurde immer größer. Unser Vorteil war, dass wir uns alle aus der Jugend kannten“, meint Povlsen. „Jeder wusste ganz genau, was der andere kann.“
Ein anderer Mythos besagt, dass diese Mannschaft drei Wochen lang die Gesetze des Leistungssports ignorierte und zum Essen am liebsten zu McDonalds fuhr. „Alles hochgespielt“, meint Povlsen. „Wir haben nur einmal auf dem Weg zum Training das große M gesehen und gesagt: Trainer, nachher möchten wir dahin.“ Eines stimme jedoch, sagt er: „Was wir damals neben dem Platz gemacht haben, hat uns viel Kraft gebracht. Wir waren an der Küste, in Kopenhagen, beim Minigolf. Wir waren wie kleine Jungs, die man nur bei Laune halten musste.“
Beim Finalgegner Deutschland war das ein wenig anders. Spaß- Fußballer schlugen einen satten, zerstrittenen Weltmeister, heißt es oft. Aber auch das kann Povlsen so nicht bestätigen. „Man spürt, ob ein Gegner dich ernst nimmt oder nicht“, sagt er. „Bei den Franzosen haben wir gemerkt: Die große Aggressivität ist nicht mehr da. Die Holländer dachten: Gegen Dänemark können wir nicht verlieren. Die Deutschen aber hatten gegen uns viele Chancen und mehr Ballbesitz. Da war bei uns viel Glück und auch ein bisschen Können dabei.“
An Deutschland erinnert sich Povlsen in jeder Hinsicht gern. Er spielte zwei Jahre für den 1. FC Köln und fünf Jahre lang in Dortmund. „Am BVB hängt mein Herz noch immer“, sagt er. Povlsen sieht sich als eine Art „Botschafter Deutschlands in Dänemark. Ich spreche die Sprache, mag den deutschen Fußball und die Mentalität“. Einen Sieg wie 1992 traut er Dänemark diesmal eigentlich nicht zu. Aber er weiß auch: „Die Dänen sind immer dann gut, wenn es gegen deutlich bessere Teams geht. Gegen große Gegner wachsen sie über sich hinaus.“