Generation Griezmann will neue Liebe mit EM-Titel krönen

Marseille (dpa) - Jetzt will Frankreichs Generation Griezmann die wieder entflammte Liebe der Grande Nation auch mit dem EM-Titel belohnen und das krisengeplagte Land vorrübergehend in Partystimmung versetzen.

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„Wir können Emotionen wecken und ihre Sorge vergessen machen“, sagte Trainer Didier Deschamps nach dem Einzug der französischen Fußball-Nationalmannschaft ins Finale der Heim-EM. Im Spielort Marseille und auf den Champs-Elysees in Paris drängten sich nach dem 2:0-Sieg über Weltmeister Deutschland die hupenden Autos und Fans mit Fahnen und in Trikots der Équipe tricolore, der Eiffelturm erstrahlte in blau, weiß und rot. „Die Ekstase“, titelte die Sportzeitung „L'Équipe“.

Es sei herrlich, Paris in so einer euphorischen und sorgenfreien Stimmung zu erleben, twitterte der ehemalige englische Fußball-Star Gary Lineker. „Es war unsere Pflicht, diese Spiele zu gewinnen und den Franzosen Freude zu bereiten“, meinte Antoine Griezmann.

Mit seinen Treffern fünf und sechs machte er das Turnier endgültig zu seiner EM und zu seiner großen Showbühne. Nur einem Spieler gelangen in der EM-Geschichte mehr Tore in einer Endrunde: Michel Platini. Er führte die Équipe tricolore 1984 bei der EM ebenfalls vor heimischer Kulisse zum Titel. Auf dem Weg dahin setzte sich Frankreich gegen den jetzigen Endspielgegner Portugal im Halbfinale durch. Wie auch 2000, als Zinedine Zidane zusammen mit dem aktuellen Coach Didier Deschamps bei der EM in Belgien und den Niederlanden den Titel holten.

Was Platini und Zidane waren, ist nun Griezmann. „Wir haben wieder einen Helden“, meinte Ex-Welt- und Europameister Thierry Henry. „Er ist ein großer Spieler“, sagte Trainer Deschamps über Griezmann, „er hat das bewiesen mit allem, was er gemacht hat“.

Griezmann übernahm an dem für Frankreichs Fußball historischen Abend die Verantwortung. Beim Elfmeterpfiff nach Bastian Schweinsteigers Handspiel nahm sich der 25-Jährige den Ball, obwohl er 40 Tage vorher im Champions-League-Finale mit seinem Club Atlético Madrid gegen Real und Ronaldo einen Elfmeter in der regulären Spielzeit verschossen und der Stadtrivale letztlich den Titel geholt hatte. „Ich wollte einen Elfmeter in einem großen Spiel wie diesem schießen. Und ich bin sehr froh über meine Entscheidung, die dann zum Tor geführt hat“, sagte Griezmann später, wieder ganz ruhig und besonnen und bescheiden.

Zuvor hatte sein Auftritt sogar Staatspräsident François Hollande mitgerissen. Dieser verpasste mit Frankreich-Schal um den Hals beim Torjubel dem französischen Verbandschef Noël Le Graët auf der Ehrentribüne einen kleinen Freudenschubser. In den internationalen Medien reichten die Huldigungen für Griezmann vom „kleinen Kaiser“ („Dagens Nyheter“ aus Schweden) über den „kleinen Prinzen“ („Goal“ aus Griechenland) zum „Teufelskerl“ („Basler Zeitung“). Und „La Provence“ titelte schon vor dem Finale: „Griezmann, der Euro-Star.“

Ob Griezmann, der in Finalform gekommene Paul Poga oder der unüberwindliche Hugo Lloris im Tor - ein bisschen auskosten und genießen wollten Frankreichs Kicker den ersten K.o.-Erfolg schon. Erst am Freitag ging es wieder zurück ins EM-Quartier Clairefontaine.

Mit den Türen im Hotel in Marseille schloss sich auch das glorreiche Kapitel Halbfinale, nun gilt alle Konzentration dem letzten großen Schritt zum Ruhm. „Es wird das Spiel unseres Lebens“, meinte Mittelfeldspieler Blaise Matuidi bei einer Pressekonferenz im EM-Camp der Franzosen.

Allerdings ist die Zeit knapp. Freitag Regeneration, Samstag Abschlusstraining, Sonntag Endspiel. Erstmals bei ihrer Heim-EM müssen die Franzosen zwei Spiele binnen vier Tagen bestreiten. Dass die Portugiesen 24 Stunden mehr zur Einstimmung hätten, sei natürlich ein Handicap für sein Team, meinte Deschamps.

Einen Favoriten sieht er auch nicht. „Das wird offen sein“, meinte der Erfolgscoach. „Nur weil wir Deutschland rausgeworfen haben, besitzen wir keine Zusatzkräfte.“ Das nicht, aber einen Griezmann.