Porträt Gestylter Scharfschütze

Vor allem Marek Hamsik zieht die Blicke bei der Slowakei auf sich — der Offensivmann vom SSC Neapel kann im Duell der Neulinge sogar.

Marek Hamsik ist das Aushängeschild der Slowakei.

Foto: Luca Zennaro

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Bordeaux. Auch in den französischen Spielorten gibt es sie, die offiziellen Panini-Alben und die dazugehörigen Klebebildchen, die vor allem junge Fußballfans sammeln und tauschen. Wer aus der Slowakei stammt, der hat es vor allem auf die Nummer 225 abgesehen. Denn dahinter verbirgt sich ihr Idol: Marek Hamsik. Und allemal ist es ja eine spannende Frage, welches Foto die italienischen Hersteller genommen haben. Denn wenn der 28-Jährige aus der verschweißten Tüte kommt, dann mit außergewöhnlicher Haarpracht. Da aber die Frisur fast so unberechenbar wie seine Finten gilt, darf ruhig gerätselt werden. Dunkler Hahnenkamm? Oder Irokese blondiert?

Schön ist er nicht, sagen die einen. Dafür fällt er auf, entgegen die anderen. In dem erst 1993 gegründeten Staat, knapp 5,5 Millionen Einwohner, Binnenstaat in Mitteleuropa mit Grenzen zu Österreich, Tschechien, Polen, Ukraine und Ungarn, sind sie mächtig stolz auf ein Aushängeschild, das in jeder Hinsicht auffällt. Die extrovertierte Erscheinung korrespondiert mit einem enormen Stellenwert. Seitdem die Slowaken vor knapp zwei Wochen beim verregneten Test den Weltmeister aufs Kreuz legte und Hamsik mit einem glasharten Fernschuss die Wende zum 3:1-Erfolg einleitete, hat sich auch in Deutschland seine Bekanntheit gesteigert. Slowakische Journalisten schlugen vor Freude auf die Tische in der Augsburger Arena, als der Ball im Netz einschlug wie später die Blitze im bayrischen Boden. „Die slowakischen Fußballer haben den Skalp der Weltmeister!" jubilierte die Tageszeitung „Pravda“, doch Hamsik hielt den Ball lieber flach: „Wir bleiben mit den Füßen auf der Erde."

Er weiß, dass es erst am Freitag (18 Uhr) in Bordeaux gegen Wales richtig ernst wird. Es könnte ein interessantes Fernduell geben, wenn sich die EM-Neulinge zum Auftakt der Gruppe B begegnen. Hier Hamsik, dort Gareth Bale. Sicherlich, der Waliser ist berühmter und war teurer — aber ist er auch wirklich so viel besser?

„Martin ist ein Gewinner“, lobt Martin Skrtel, der beinharte Abwehrspieler vom FC Liverpool, seinen Mitspieler. Der gestylte Scharfschütze aus Bratislava hat in 87 Länderspielen 18 Tore erzielt, und gerade für die Qualifikation waren es lauter entscheidende Treffer. In Italiens Serie A gilt der offensive Mittelfeldspieler ohnehin als verlässliche Konstante, weil er seit Jahren als Vorbereiter, Torschütze und Anführer beim SSC Neapel glänzt. Als Draufgänger und Fleißarbeiter. Seit 2007 spielt er für die Neapolitaner, und auch wenn es ihm kaum noch gelingen wird, den Stellenwert eines Diego Maradona zu erreichen, so ist ihm seine Verbundenheit zur Stadt abzunehmen.

„Ich wohne hier nicht nur zur Miete. Ich bin hier zuhause“, sagte er einmal. Es gibt ein Video im Netz, das zeigt ihn, die Nummer 17, die in Italien so viel Unheil verspricht, zwischen den engen Gassen der Altstadt, wo er mit Kindern kickt. Gar nicht weit davon wurde Hamsik auf offener Straße ausgeraubt, und das nicht nur einmal. Banditen hielten ihn und seiner schwangere Frau mit vorgehaltener Waffe in Schach, um sein Auto zu entwenden. Dass so einer immer noch da ist, rechnen sie ihm hoch an. Hamsik hatte Angebote aus Spanien und England, aber bislang hat er ihnen alle widerstanden. Als kürzlich das Gerücht aufflammte, bei ihm habe sich mittlerweile Real-Trainer Zinedine Zidane gemeldet, stellte er umgehend klar: „Nicht viele Menschen besitzen meine Handynummer. Das sind die üblichen Gerüchte.“

Die EM ist dennoch auch immer eine Verkaufsbühne, auf der so mancher Slowake auf sich aufmerksam machen kann. Die Wales-Partie gilt als Schlüsselspiel, aber auch England und Russland sollten sich nicht zu sicher fühlen. Denn wie war das bei der WM-Premiere 2010? Damals in Südafrika sahen alle nur Kanonenfutter in den Slowaken, die dann prompt in der Gruppenphase den damaligen Weltmeister Italien aus dem Turnier katapultierten. Was die nächste Generation kann, davon können sich nun bitte alle im neu erbauten Stade Mammut Atlantique ein Bild machen. Apropos: Die aktuelle Panini-Abbildung zeigt Hamsik im Irokesen-Look. Mit strengem Blick und einem Flaum am Kinn. Nicht nur seine Fans finden: Da hätte es doch beileibe bessere Motive gegeben.