Grillmeister Lahm fehlt Löw - Höwedes solider Ersatz

Paris (dpa) - Philipp Lahm grillt. Und das ist ein Problem für Joachim Löw und den Fußball-Weltmeister bei der EM in Frankreich. Ein Jahrzehnt lang war der ehemalige DFB-Kapitän ein Fixpunkt in der deutschen Nationalmannschaft.

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Lahm der Alleskönner, der rechts und links hinten und sogar im Mittelfeld Weltklasse verkörpert(e). Aber nun verbringt der 32 Jahre alte Kapitän des FC Bayern erstmals seit der WM 2002 wieder einen Turniersommer als Fan vorm Fernseher.

„Grill anschmeißen, ein Bierchen trinken und der Nationalmannschaft die Daumen drücken“ - so hat der urlaubende Bayern-Profi Lahm einen perfekten EM-Tag beschrieben. Gut für ihn, schlecht für Löw, auch wenn der Bundestrainer vor dem dritten Gruppenspiel in Paris gegen Nordirland beteuerte: „An Philipp Lahm habe ich die letzten Tage nicht gedacht.“

Es gehört zum neuen Pragmatismus von Löw, nicht zu klagen über Zustände, die sich aktuell nicht ändern lassen. Er muss in Frankreich damit leben, dass er ohne Weltklasse-Außenverteidiger Europameister werden soll. Löw verfügt im Außendienst der Abwehrreihe über den Schalker Benedikt Höwedes, einen gelernten Innendecker, rechts. Links hat er den Kölner Turnierneuling Jonas Hector. Und Löw sagte in Évian: „Ich bin mit der Konstellation, die wir haben, zufrieden.“

Schon zu Lahms Zeiten herrschte im Nationalteam Notstand auf den defensiven Außenposten, die für Löw „mit die anspruchsvollsten Positionen“ im modernen Fußball sind. Den Prototypen Lahm hätte der Bundestrainer am liebsten geklont. Jetzt wäre Löw froh, wenigstens über das Original zu verfügen und eine Seite mit dem 113-maligen Nationalspieler besetzen zu können. Lahm lief jedoch am 13. Juli 2014 gegen Argentinien letztmals im Trikot mit dem Bundesadler auf.

„Das war am Morgen nach dem WM-Finale in völlig euphorisierter Stimmung mein einziger kleiner Dämpfer, als ich mit Philipp ein Gespräch hatte und er mir sagte, dass das Finale und der Titelgewinn für ihn das Ende bei der Nationalmannschaft bedeuten“, erzählte Löw in Frankreich. Dieser Entschluss, das ahnte Löw, würde unumstößlich sein. „Ich habe nie daran gedacht, ihn von einer Rückholaktion zu überzeugen und ihm zu sagen: Philipp, wir brauchen dich.“

Löw war auch klar, dass es einen neuen Lahm auf die Schnelle nicht geben wird. „Er spielt noch heute den perfekten rechten Verteidiger, oder auch links. Philipp konnte alles spielen. Er macht es bei Bayern immer noch hervorragend“, schwärmte Löw. „Er erfüllt das, was ein Außenverteidiger auf höchstem Niveau können muss, defensiv wie offensiv die Aufgaben immer zu erfüllen“, fügte der Bundestrainer hinzu. Da klang Wehmut durch.

Löw hat einige Kandidaten getestet in den zwei Jahren seit Lahms Rücktritt. Sebastian Rudy (3 Mal) und Emre Can (3) durften sich in den Nach-WM-Länderspielen am häufigsten als Rechtsverteidiger in der Startelf versuchen. Die weiteren Probanden waren Matthias Ginter (2), Antonio Rüdiger (2) und Kevin Großkreutz (1). Den Hoffenheimer Rudy sortierte Löw im Trainingslager aus, Rüdiger verletzte sich vorm Turnierstart. Im EM-Kader steht Can als mögliche Alternative für die Außenbahnen gegen Nordirland. Oder der junge Joshua Kimmich.

Beim Votum für den lange verletzten Höwedes dachte der Bundestrainer auch an die WM in Brasilien zurück, als der inzwischen 28 Jahre alte Schalker links aushalf. „Er hat da jedes Spiel über 90 Minuten gemacht. Wir sind mit ihm Weltmeister geworden“, erinnerte Löw. Höwedes nimmt die Rolle an, so gut er es vermag: „Ich war 2014 auch überrascht über den Einsatz links. Aber ich bin ein Typ, der Sachen annimmt, der sagt: Ich knie' mich für die Mannschaft rein.“

Dass Höwedes keine Offensivakzente à la Lahm setzen kann, zählt für Löw weniger. „Von Benny kann man nicht verlangen, dass er nach vorne ständig mitgeht, dass er Überzahl schafft, permanent Flanken schlägt“, sagte Löw: „Aber ich weiß, was ich an ihm habe: Seriosität, solides Verteidigen, Kopfballstärke. Das wird für uns wichtig sein.“