Co-Trainer bei der EM: Hallgrimsson macht's wie Löw

Annecy (dpa) - Wenn die EM zu Ende ist, wird Heimir Hallgrimsson wie einst Joachim Löw aus der zweiten Trainer-Reihe in die erste vorstoßen.

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Weil Islands Chefcoach Lars Lagerbäck bereits lange vor dem Großereignis seinen Rückzug als Nationaltrainer Islands angekündigt hatte, hat der Verband dessen bisherigen Kompagnon für die Zeit danach bereits zum alleinigen Chef befördert. „Er ist ein cleverer Kerl und wird seine Sache gut machen. Da bin ich mir ganz sicher“, versprach Lagerbäck den heimischen Fußballfans.

Schon jetzt arbeitet der 49-jährige Hallgrimsson rein formal als gleichberechtigter Trainer an Lagerbäcks Seite, nachdem er vor fast fünf Jahren als Assistenzcoach gestartet war. Doch Teamarbeit hin, Teamarbeit her: Wenn's drauf ankommt, trifft der international gestählte Schwede nach wie vor die Entscheidungen; auch bei den Medienrunden beantwortet Lagerbäck die wichtigsten Fragen. Lagerbäck steht im Rampenlicht, im Schatten wirkt Taktikfuchs Hallgrimsson.

Ein solches Rollenverständnis haben längst nicht alle Assistenztrainer dieser Tage. Vor allem die beiden berühmtesten - Andrej Schewtschenko bei der Ukraine und Roy Keane bei Irland - verstehen sich vor allem als Motivatoren. Der frühere ManUnited-Star Keane liefert sich obendrein gerne verbale Scharmützel mit Reportern; sein Temperament und sein früher schwer zu bändigender Zorn kommen immer wieder zum Vorschein. So schimpfte der inzwischen vollkommen ergraute Keane zuletzt etwa nach einer Testspiel-Pleite gegen Weißrussland, er hätte einige formschwache Spieler „töten können“.

Ungarns deutscher Co-Trainer Andreas Möller ist „mit seinem Auftreten und seiner Aura ein ganz wichtiger Bestandteil unseres Teams“, wie Coach Bernd Storck hervorhob. In personelle Überlegungen bindet Storck den 1996er-Europameister ein. Vor dem ersten Playoffspiel in Norwegen soll der Chef noch nach Mitternacht an Möllers Zimmertür im Hotel geklopft haben, um eine taktische Idee zu besprechen. Am Ende spielte dann der Bremer Laszlo Kleinheisler - und erzielte das Siegtor.

Englands Assistenzcoaches sorgten in der Heimat zuletzt eher wegen kurioser Dinge für medialen Wirbel: Ray Lewington vor dem ersten Spiel gegen Russland, indem er einen Zettel mit einer taktischen Formation etwas zu offen in der rechten Hand hielt. Fotografen schafften es, Bilder davon zu machen - die vermeintliche Startelf erwies sich später aber nicht ganz als korrekt. Englands früherer Nationalspieler Gary Neville, inzwischen ebenfalls Co-Trainer, war derweil nach Medienberichten im kleinen Chantilly Riesengarnelen einkaufen und soll dabei noch heftig um den Preis gefeilscht haben.

Rekordmann unter den Co-Trainern ist der 69-jährige Toni Grande, der schon seit 30 Jahren als Assistent des derzeitigen spanischen Nationalcoaches Vicente del Bosque fungiert. 1985 arbeiteten die beiden bei der Reserve von Real Madrid erstmals zusammen; und als del Bosque von 2005 bis 2008 pausierte, da pausierte auch Grande.

Islands Hallgrimsson gilt sogar als Kumpel vieler Spieler, eine Profimannschaft hat er aber noch nie trainiert. In der Heimat betreibt er nach wie vor eine Zahnarztpraxis, bei seinem Heimatverein hilft er gerne mal als Schiedsrichter von Jugendspielen oder als Ordner aus. Man sagt ihm nach, dass er wenige Stunden vor Heimspielen des Nationalteams in Reykjavik oft in einer berüchtigten Fan-Kneipe vorbeischaut, um den Fans vorab die Aufstellung zu verraten. Kaum denkbar, dass er das künftig in neuer Rolle fortführen wird.