Hummels: „Alles raushauen“ gegen Griechen
Danzig (dpa) - Ausscheiden? Gegen Griechenland? Für den Fußball-Ästheten Joachim Löw ist es der größte vorstellbare Alptraum, dass ausgerechnet die Steinzeit-Kicker aus Griechenland den deutschen Titeltraum im ersten K.o.-Spiel zertrümmern.
Alle Pläne des Bundestrainers sind „auf hoffentlich sechs Spiele bei dieser EM“ ausgerichtet, die letzten drei Stationen sind auf dem Spielplan im Teamhotel „Dwór Oliwski“ nachzulesen: Danzig - Warschau - Kiew! „Die Lösungen sind für mich klar“, erklärte Löw, der seinen ausgetüftelten Siegplan für Freitag aber unter Verschluss hält.
Ganz Deutschland ist programmiert auf Sieg Nummer vier. Weit über 10 000 schwarz-rot-goldene Fans werden in Danzig erwartet und sollen für eine prickelnde Heimspiel-Atmosphäre sorgen. „Ich spiele nicht nur für mich, sondern ich will für 82 Millionen Deutsche erfolgreich sein“, erklärte Vize-Kapitän Bastian Schweinsteiger patriotisch.
Nach drei Vorrundensiegen sind alle beseelt davon, den nächsten Schritt zu machen. „Wir müssen bei unseren Ansprüchen diesen Gegner ausschalten“, betonte Kapitän Philipp Lahm. „Wir wissen, dass es nur an uns liegt, ob wir gewinnen oder nicht. Wenn wir unsere Stärken einbringen, werden wir die Griechen schlagen“, tönte Schweinsteiger. Und Abwehrspieler Mats Hummels versprach im typischen Dortmunder Einpeitsch-Stil: „Wir werden alles raushauen, was geht. Wir wollen nicht, dass das Turnier nach dem Viertelfinale beendet ist.“
Schließlich winkt als Belohnung ein Halbfinal-Klassiker gegen England oder Italien, eine echte Herausforderung und Titelprüfung. „Die sind auch nicht viel schlechter als Spanien“, urteilte Sami Khedira. Aber auch die Griechen sind eine harte Nuss. Es gilt, den Abwehrbeton der Hellenen zu zerbröseln. „Wir müssen gegen sie erstmal ein Tor erzielen“, stöhnte Thomas Müller, der WM-Held von 2010, der seit fast 500 Minuten auf ein Länderspieltor wartet. „Fußballerisch wird das kein Spaziergang. Griechenland wird sehr stark verteidigen.“
Die Spieler vertrauen jedoch ganz und gar den taktischen Vorgaben ihres Chefs und den von Löw in Videoanalysen aufgespürten Schwächen im griechischen Kollektiv. „Wir wissen, was wir zu tun haben“, sagte Müller entschlossen. Große Laufbereitschaft, Ballsicherheit und ein ständiges Anrennen werden nötig sein, weiß Löw. Griechenland wird sich noch mehr einigeln in der eigenen Hälfte als es zuletzt die Dänen taten. „Die Gegner haben sich immer weiter zurückgezogen in den letzten Monaten“, sagte Löw zur neuen Situation für sein Team.
Mesut Özil wird zwangsläufig zur Schlüsselfigur. Der Spielmacher mit dem Zauberfuß soll die Lücken aufspüren, die tödlichen Pässe in die Schnittstellen spielen. Wie ein Hellseher sagte Löw „die große Explosion“ des Edeltechnikers in den K.o.-Spielen voraus. „Mesut ist sehr wertvoll, arbeitet enorm viel für das Team. Der geniale Moment kommt noch“, sagte Khedira über seinen Kollegen bei Real Madrid.
Özil, Schweinsteiger, Khedira - vom Kraftzentrum im zentralen Mittelfeld müssen die entscheidenden Impulse ausgehen. „Ich spüre einen großen Drang in mir, ein perfektes Spiel zu liefern. Ich hoffe, dass wir dem gegen Griechenland nahe kommen“, sagte Schweinsteiger.
Eine zentrale Devise gegen die Griechen, die ohne ihren Kapitän und Kopf Georgios Karagounis (Gelb-Sperre) auskommen müssen, lautet: Bloß nicht in einen Konter laufen. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht das 0:1 kassieren und gegen diese griechische Wand anlaufen müssen. Das wäre fatal, wenn wir ihnen so in die Karten spielen“, mahnte Hummels. Mit nur drei Toren holten die Griechen in ihrer Gruppe vier Punkte und hauten die hochgewetteten Russen raus.
Löw hat sein Team in der Vorbereitung wieder abgeschottet. Beim Geheimtraining wurde der Sichtschutz um den Übungsplatz erhöht und so vor neugierigen Einblicken - auch griechischer Spione - geschützt.
Der Bundestrainer schloss öffentlich personelle Umstellungen oder taktische Veränderungen nicht aus, überraschend wären sie dennoch. Nur eine Umstellung scheint sicher: Jérôme Boateng dürfte nach seiner Gelb-Sperre wieder für Lars Bender, den Matchwinner gegen Dänemark, in die Abwehr zurückkehren. „Die Personalentscheidungen haben bisher gepasst“, bemerkte Löw zu seinem glücklichen Händchen. Mehr kombinieren, mehr laufen und konsequenter abschließen lautet die Anweisung im vierten EM-Spiel. „Spielerisch schlummern noch ein paar Prozent in uns, die wir noch rauskitzeln können“, bemerkte Hummels.
Auch wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel in Danzig wieder einmal bei einem wichtigen Länderspiel als Glücksbringerin auf der Tribüne sitzen wird, soll die politische Brisanz des Duells mit den Griechen wegen der Euro-Krise nicht überbetont werden. „Das wird ein normales Fußballspiel, das nichts mit der politischen oder monetären Situation zu tun hat. Beide wollen gewinnen“, äußerte Franz Beckenbauer. Das griechische EURO-Aus möchten die Spieler der Kanzlerin trotzdem gerne schenken. „Wir sind ja auch Fans von Angela Merkel“, sagte Khedira.
Voraussichtliche Aufstellungen:
Deutschland: 1 Neuer (Bayern München/26 Jahre/29 Länderspiele) - 20 Boateng (Bayern München/23/23), 5 Hummels (Borussia Dortmund/23/17), 14 Badstuber (Bayern München/23/23), 16 Lahm (Bayern München/28/89) - 6 Khedira (Real Madrid/25/30), 7 Schweinsteiger (Bayern München/27/93) - 13 Müller (Bayern München/22/30), 8 Özil (Real Madrid/23/36), 10 Podolski (1. FC Köln/27/100) - 23 Gomez (Bayern München/26/55)
Griechenland: 13 Sifakis (Aris Saloniki/27/14) - 15 Torosidis (Olympiakos Piräus/27/47), 19 Sokratis (Werder Bremen/24/30), 5 Kyriakos Papadopoulos (FC Schalke 04/20/11), 3 Tzavellas (AS Monaco/24/6) - 21 Katsouranis (Panathinaikos Athen/32/94), 2 Maniatis (Olympiakos Piräus/25/12) - 14 Salpingidis (PAOK Saloniki/30/59), 6 Makos (AEK Athen/25/12), 7 Samaras (Celtic Glasgow/27/57) - 17 Gekas (Samsunspor/32/61)
Schiedsrichter: Skomina (Slowenien)