Spanier Juanfran mit Ersatzrolle unzufrieden
Gniewino (dpa) - Erste Risse in der bislang so heilen Welt des Europameisters: Zwei Tage vor dem Viertelfinale gegen Frankreich hat sich Verteidiger Juanfran als erster Spanier aus der Deckung gewagt und über seine Reservistenrolle bei der Fußball-EM beklagt.
„Natürlich würde ich gerne spielen“, sagte der 27-Jährige von Atlético Madrid sichtlich unzufrieden. „Aber der Mister vertraut Alvaro.“ Passend zum trüben Himmel über dem polnischen EM-Quartier Gniewino machte Juanfran dabei ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. Allerdings hütete er sich wohlweislich davor, offen zu meutern und unverhohlen einen Stammplatz zu fordern. „Ich respektiere Alvaro und seine Qualitäten und natürlich auch die Entscheidungen des Misters sehr“, versicherte der Verteidiger, der bislang erst einmal für die Selección spielte.
Mit Mister ist Trainer Vicente del Bosque gemeint, und der ließ in allen drei Gruppenpartien Alvaro Arbeloa rechts verteidigen. Der erfahrene Profi von Meister Real Madrid dürfte auch am Samstag in Donezk gegen die Equipe Tricolore wieder in der Viererkette stehen, obwohl es aus der Heimat heftige Kritik hagelte. Der 29-Jährige sei zu langsam und pflege einen antiquierten Stil auf der rechten Außenbahn. Gegen Frankreichs agiles, schnelles und trickreiches Bayern-Schlitzohr Franck Ribéry könnte das ins Auge gehen.
Die Kritik der spanischen Medien an Arbeloas Spielweise wies Juanfran zurück: „Alvaro ist mein Teamkollege und natürlich auch mein Konkurrent. Ich werde ihn bis zum Tod verteidigen.“ Da Arbeloa mit einer Gelben Karte vorbelastet ist, winkt dem Rebellen im Fall einer weiteren Verwarnung seines Widersachers und Spaniens Einzug ins Halbfinale durchaus noch eine EM-Premiere.
Bis zu diesem Aufmucken war von den spanischen Ergänzungsspielern bislang kein Meckern und Maulen zu hören. Victor Valdés versicherte devot: „Ich akzeptiere meine Rolle. Ich weiß, dass ich hier bin, um den Konkurrenzkampf anzuheizen und für den Ernstfall fit zu sein.“ Hinter dem absolut unumstrittenen Kapitän Iker Casillas (Real Madrid) und Pepe Reina (FC Liverpool) ist der Stammkeeper des FC Barcelona in der Selección nur die Nummer 3.
Javi Martinez bezeichnete es als „Ehre, zu den 23“ zu gehören. Der vom FC Bayern München heftig umworbene Defensivspezialist durfte immerhin bei der 4:0-Gala gegen Irland von der 76. Minute an mitmachen. „Das war ein Geschenk“, bedankte sich der 23 Jahre alte Modellathlet von Athletic Bilbao nochmals artig bei del Bosque. „Ich würde gerne wieder spielen.“ Immerhin räumte Martínez ein, dass das Dasein als Ersatzspieler keine Traumrolle sei: „Wir wollen natürlich alle spielen.“
Del Bosque betont immer wieder glaubhaft, dass „alle 23 im EM-Kader stehenden Spieler die Qualität haben, eingesetzt zu werden“. Der äußerst menschliche und honorige Trainer sagt das nicht nur so daher, sondern versucht auch, möglichst viele Akteure wenigstens kurz spielen zu lassen. So kamen neben Martínez in EM-Neuling Àlvaro Negredo, Santi Cazorla und Jesús Navas immerhin schon drei Kandidaten zum Zug, die kaum Chancen auf einen Platz in der Startelf haben. Flügelflitzer Navas wurde im entscheidenden Gruppenmatch gegen Kroatien sogar schon zum zweiten Mal eingewechselt und rechtfertigte das Vertrauen prompt mit dem 1:0-Siegtreffer.