Hunderttausende italienische Fans fassungslos
Rom (dpa) - Fassungslos, entsetzt und wütend haben die italienischen Fans von Nord bis Süd die herbe Niederlage ihrer Squadra Azzurra beim Public Viewing verfolgt.
Frustrierte Anhänger warfen auf dem Circo Massimo Nebelkerzen, Knallkörper und andere Gegenstände gegen die Großbildschirme. Andere weinten still vor sich hin. Die Hoffnung, nach 44 Jahren wieder EM-Gewinner sein zu können, wich mit jedem spanischen Tor mehr der Frustration und Enttäuschung.
Die Nationalhymne hatten sie noch gemeinsam mit Torhüter Gianluigi Buffon inbrünstig mitgesungen. Doch die Tröten und Trompeten blieben dann auffallend ruhig, in der Gluthitze des südeuropäischen Abends erwischte die Fans viermal die kalte Dusche. Lediglich einige Gruppen spanischer Studenten hatten auf dem Circo Massimo etwas zu feiern. Für Hunderttausende Italiener war es ein Katzenjammer: „Wir sind dabei, gegen die stärkste Mannschaft der Welt zu verlieren“, meinte der RAI-Kommentator verzweifelt ehrlich.
Unter einer Hitzeglocke mit Rekordtemperaturen bis zu 40 Grad hatten die italienischen Fußballfans überall im Land dem EM-Finale ihrer Azzurri gegen Spanien entgegengefiebert. Nicht nur auf den großen Plätzen in den Großstädten wie Mailand, Turin, Rom oder Neapel verfolgten Zehntausende beim abendlichen Public Viewing, wie sich ihr Team um das neue Idol Mario Balotelli in Kiew schlug.
In Rom hatte Bürgermeister Gianni Alemanno den Circo Massimo für das Spektakel freigegeben. Hunderttausende Fans strömten dorthin. Vier Maxischirme zeigten: Die antike Spiel- und Vergnügungsanlage Roms war wieder zur Übertragung großer Kämpfe gefragt - so wie schon 2006, als die Italiener hier frenetisch ihren WM-Titel feierten.
Während immer mehr grün-weiß-rote Fahnen von den römischen Balkonen ausgerollt wurden, waren trotz der Gluthitze erste Fans schon früh mit Transparenten und Vuvuzela-Tröten zum Circo gezogen. Es war so heiß, dass etliche den Oberkörper freimachten. Der Zivilschutz war mit vier Tankfahrzeugen angerückt, die jeweils an die 10 000 Liter fassten, um den Boden des antiken Geländes etwas zu besprengen. Hunderte von Helfern verteilten Wasser an die Tifosi in dem alten Stadion - 350 000 Flaschen waren dorthin gebracht worden.
Auch auf den Insel wie Capri, in Gefängnissen und den Zeltstädten der im Mai von Erdbeben betroffenen Menschen in der Emilia standen Bildschirme. Die Franziskanermönche im umbrischen Assisi verfolgten das Match in Höchstspannung - gemeinsam mit zwei spanischen Brüdern. Auf dem neuesten Stand waren italienische Fußballfans auch über den Wolken: In Realzeit informierte sie Alitalia auf abendlichen Flügen, wie sich die Squadra Azzurra auf dem Rasen von Kiew geschlagen gab.
Wie schon vor dem Halbfinale gegen Deutschland waren auch viele Bars und Restaurants grün-weiß-rot geschmückt und auf einen Ansturm vorbereitet. Unabhängig vom Ausgang des Endspiels um den EM-Titel hatte Staatspräsident Giorgio Napolitano die Squadra Azzurra bereits zuvor für Montagabend zum Empfang in den Quirinalpalast geladen.