Lahm rügt Ukraine und fordert klare Worte der UEFA
Frankfurt/Main (dpa) - Jetzt greift sogar der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft in die Debatte um die politische Situation im EM-Gastgeberland Ukraine ein.
„Meine Ansichten zu demokratischen Grundrechten, zu Menschenrechten, zu Fragen wie persönlicher Freiheit oder Pressefreiheit finde ich in der derzeitigen politischen Situation in der Ukraine nicht wieder“, sagte Philipp Lahm in einem Interview des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ und forderte klare Worte auch vom europäischen Verband.
„Ich glaube, dass er Position beziehen sollte. Und ich bin gespannt, was er zu sagen hat“, erklärte Lahm in Richtung UEFA-Präsident Michel Platini. Das Thema wird auch bei der Kaderpräsentation von Bundestrainer Joachim Löw am Montag in Rastatt sicher eine Rolle spielen, nachdem ein Leistungsträger so klar Position zu politischen Aspekten des Turniers bezogen hat.
„Ich bin mir sicher, dass Joachim Löw und Oliver Bierhoff in dieser Diskussion weitergehen und sich gemeinsam mit der ganzen Mannschaft deutlich positionieren werden. Auch als Zeichen an das ukrainische Volk“, sagte der ehemalige Nationalspieler Christoph Metzelder in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Der DFB soll intern seinen EM-Kandidaten bereits mitgeteilt haben, „dass jeder von ihnen frei sei in der eigenen Meinungsäußerung“.
Lahm kritisierte die politische Führung des Co-Gastgebers Ukraine wegen des Umgangs mit der inhaftierten Oppositionsführerin Julia Timoschenko. Wenn er sehe, wie das Regime Timoschenko behandele, „dann hat das nichts mit meinen Vorstellungen von Demokratie zu tun“, sagte der Profi des FC Bayern München. Auch die UEFA müsse sich deutlich zur Frage der Menschenrechte in der Ukraine äußern.
Julia Timoschenko, erbitterte Gegnerin von Präsident Viktor Janukowitsch, war im vergangenen Jahr in einem international umstrittenen Prozess wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Kritiker sprachen von Rachejustiz. Zuletzt war eine heftige Diskussion um das Turnier vom 8. Juni bis 1. Juli in Polen und der Ukraine mit dem Finale in Kiew entbrannt.
Kritik übte auch Michael Vesper - allerdings an den Boykottplänen der EU-Kommission. „Um politisch Druck zu machen, ist es besser, solche Ereignisse zu nutzen, um über Menschenrechtsverletzungen vor Ort zu reden. Das geht aber logischerweise nur, wenn man hinfährt - auch wenn es keinen Spaß macht“, sagte der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) dem „Spiegel“.
Dass die innenpolitischen Zustände in der Ukraine die Fußball-EM zu überschatten drohen, hält Lahm für unausweichlich: „Der Fußball ist zu groß geworden, um davon unbehelligt zu bleiben. Als ich die ersten Berichte über Timoschenkos angegriffene Gesundheit las, ahnte ich, in welche Richtung es geht.“
Ob Lahm im Falle einer Finalteilnahme bei der Siegerehrung dem ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch die Hand reichen würde, hält sich der 28-Jährige offen: „Das müsste ich mir dann ernsthaft überlegen. Soviel ich weiß, machen die Siegerehrung in Kiew aber nur UEFA-Leute.“