Euro 2016 Löws unmanierlicher Griff

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Bundestrainer Joachim Löw während dem Spiel Deutschland - Ukraine.

Foto: Laurent Dubrule

Wenn der Bundestrainer seinem Joachim eine bequeme Lage ermöglicht, ist das erstmal seine höchstpersönliche Angelegenheit und daher recht ungewöhnlich, darüber zu berichten. Nun geschah der unmanierliche Griff in die Körpermitte samt anschließender Geruchsprobe aber nun mal der Öffentlichkeit und als solche hat ein Stadion bei einer Europameisterschaft zu gelten. Fehler Löw. Weitaus mehr als über die Manieren des Bundestrainers sagt die Justierung des wertvollen Stücks aber über jene, die sich darüber echauffieren oder amüsieren.

Natürlich gibt es weitaus Schlimmeres, als das Video Löws anzuschauen und seinen Freunden zu zeigen. Genauso, wie es überhaupt kein Problem ist, sich über das T-Shirt Löws auszulassen. Die Schweißflecken. Farbe, Schnitt - da hat nichts gepasst. Häme ist gestattet. Löw steht schließlich in der Öffentlichkeit, verdient ziemlich viel Geld und muss das abkönnen. Könnte man meinen.

Dem gegenüber steht die Frage, was der Massen-Voyeurismus mit den Prominenten macht. Grundsätzlich wird im Fußballgeschäft das Fehlen so genannter Typen bemängelt. Also jenes Menschenschlages, der sich nicht um die Phrasen schert, die ihm die PR-Berater nahelegen. Der sich im öffentlichen Raum so verhält, wie er es am Stammtisch auch machen würde. Typen, wie Thomas Müller. Zu einem unauflöslichen Gegensatz kommt es nun, wenn jene, die nach Typen schreien, diese selbst demontieren. Durch das millionenfache Abrufen einer kurzen Unachtsamkeit. Wenn mit Häme gekübelt wird. Irgendwann reicht es auch dem letzten Typen. Schimanski würde heutzutage wohl eine Heerschar an Öffentlichkeitsarbeitern beschäftigen.

Spieler halten sich mittlerweile aus Angst vor Lippenlesern auf dem Feld die Hand vor den Mund, wenn sie miteinander reden. In spanischen TV-Studios werden zahlreiche Sendeminuten damit bestritten, Unerhörtes ans Licht zu fördern. Mittlerweile ist jeder Quadratzentimeter des Spielfeldes ausgeleuchtet. Das gaukelt vor, so nah wie noch nie am Geschehen zu sein. Die totale Unmittelbarkeit birgt aber Gefahren. Sie feilt an den Ecken und Kanten der Menschen. Letztlich wird sie dadurch zu einer Verfälschung führen. Wenn man nicht mehr Mann sein kann. Wenn ein ungeschickter Griff mehr Bedeutung als ein Sieg hat. Dann ist das die voranschreitende Boulevardisierung, vor der Kulturpessimisten seit geraumer Zeit warnen.