Löws Ziel: Vierter EM-Titel - Enorme Qualität „abrufen“
Berlin (dpa) - Dieser 28. Juni 2012 hat lange Zeit genagt an Joachim Löw. Sein Team war im EM-Halbfinale in Warschau gegen den Erzrivalen Italien 1:2 unterlegen, die taktische Ausrichtung und Personalauswahl des Bundestrainers war misslungen.
„Wir ärgern uns immer noch, dass wir die Chance damals hergegeben haben“, sagte Teammanager Oliver Bierhoff noch Monate später. Mit dem WM-Titel zwei Jahre danach in Rio de Janeiro tilgten Löw und die deutsche Nationalmannschaft die Enttäuschung des vorangegangenen Turniers.
Nun möchte der DFB-Chefcoach auch noch bei einer Europameisterschaft den ganz großen Wurf schaffen. Er will den vierten deutschen Titel. „Unsere Spieler haben eine enorme Qualität. Es wird darauf ankommen, das wieder auf den Punkt abzurufen“, sagte Löw vor seinem fünften Turnier als verantwortlicher Bundestrainer. Bierhoff warnte aber auch: „Niemand sollte glauben, dass man auch nur ein paar Prozent von der maximalen Leistungsfähigkeit nachlassen kann und trotzdem Europameister wird.“
Turniere sind für Löw etwas ganz Besonderes. Hier hat der Freiburger die Kontrolle, bestimmt die Abläufe, kann alle Entscheidungen auf kurzem Weg treffen. Der WM-Triumph in Brasilien hat gezeigt: Wenn dazu in den Spielen volle Konzentration, Leidenschaft und Disziplin kommen, wird Deutschland auch beim EM-Turnier vom 10. Juni bis 10. Juli in Frankreich nur schwer zu besiegen sein. „Deutschland zählt immer zum Favoritenkreis. Von uns erwarten immer alle, dass wir weit kommen, um den Titel mitspielen und den Titel gewinnen“, sagte Löw.
Die EM hat er geschickt zum Zwischenschritt zur WM-Titelverteidigung in zwei Jahren in Russland ernannt, um den großen Erwartungsdruck ein wenig zu senken. „Der Titelgewinn in Frankreich wird ein ganz hartes Stück Arbeit. Im Schongang geht das nicht, das haben wir in der Qualifikation gesehen“, betonte Bierhoff. Die durchwachsenen zwei Jahre nach dem Triumph in Brasilien beunruhigen den Bundestrainer aber nicht. „Wir wissen, woran es lag“, formulierte der 56-Jährige: „Wir müssen uns aber auch auf jeden Fall um einiges steigern.“
Nach den Terroranschlägen in Paris im November des Vorjahres, den das DFB-Team im Stade de France hautnah miterlebt hatte, steht das Turnier in Frankreich für Spieler, Trainer und den Betreuerstab unter einem besonderen Aspekt. „Natürlich ist es ein Thema. Man kann das ja jetzt nicht alles einfach ignorieren“, erklärte Löw bei seiner ersten Rückkehr nach Paris zur EM-Auslosung vor fünf Monaten. Schon früh im Turnier wird die DFB-Auswahl gegen Polen am 16. Juni wieder im Stade de France spielen. Fünf Tage später ist Nordirland im Pariser Prinzenpark der letzte Vorrundengegner.
Unmittelbar vor der EM, die für Deutschland am 12. Juni in Lille mit dem ersten Gruppenspiel gegen die Ukraine beginnt, soll das Thema noch einmal mit der Mannschaft besprochen werden. „Ansonsten glaube ich, dass Frankreich alles dafür tut, dass hier die Sicherheit gewährleistet ist“, sagte der Bundestrainer.
Die Vorfreude bei Löw ist trotz der schrecklichen Erlebnisse beim letzten Länderspiel in Paris groß: „Frankreich ist ein schönes Land, ist natürlich auch ein fußballbegeistertes Land. Von daher freue ich mich natürlich wie auf jedes Turnier.“ Und auf die Chance, nach 1972, 1980 und 1996 den EM-Pokal wieder nach Deutschland zu holen.