Mein lieber Scholli: Ohne TV-Experten geht nichts mehr
Hannover (dpa) - Mein lieber Scholli, war das eine Aufregung. Selten hat ein TV-Experte einen derartigen Wirbel erzeugt wie Mehmet Scholl mit seinen Aussagen über Mario Gomez.
Auch sonst lohnt sich der Einsatz des lustigen und listigen Ex-Profis für die ARD, doch nicht jeder Moderations-Gehilfe sorgt tatsächlich für einen Mehrwert. Der Sinn des Experten-Einsatzes erschließt sich deshalb nicht jedem. Wann gab es schon einmal eine so vorlaute Bemerkung? „Ich hatte zwischendrin Angst, dass er sich wund gelegen hat, dass man ihn wenden muss“, hatte Scholl nach dem ersten EM-Auftritt ausgerechnet über den deutschen Siegtorschützen gegen Portugal gelästert und damit fast das Niveau von „Waldis Club“ erreicht.
Am Folgetag bezeichnete der frühere Nationalspieler seine Wortwahl als „grenzwertig“, doch die ARD war glücklich. „Fast eine Woche hat Fußball-Deutschland über Sturmspitzen diskutiert“, sagte Jörg Schönenborn, der ARD-Teamchef bei der EM. „Ohne Scholl wäre das nicht passiert.“
Auch wenn der ARD-Experte bei seinen Äußerungen über deutsche Spieler anschließend deutlich zahmer wirkte, hat sich der Einsatz für das Erste schon aufgrund des PR-Wertes gelohnt. Schönenborn freut sich auf jeden Fall über seinen externen Mitarbeiter, „der kein Blatt vor den Mund nimmt“.
Seine Stärken zeigt der schon als Fußballprofi für seine flotten und frechen Sprüche bekannte Scholl vor allem im Zusammenspiel mit Matthias Opdenhövel. Der ARD-Moderator scheute sich dabei auch nicht, Scholls Schwächen bei Fragen des Reglements aufzuspießen und beim Dänemark-Spiel zu piesacken: „Gut, Mehmet, sortier dich erst mal.“
Opdenhövel und Scholl erinnern mit ihren kleinen Sticheleien an die Anfänge von Gerhard Delling und Günter Netzer, die jahrelang ein unterhaltsames und mit Preisen dekoriertes Duo bildeten. Expertise mit Unterhaltungswert und Selbstironie - so machen die eingekauften Mitarbeiter ohne journalistische Ausbildung durchaus Sinn.
Fachkenntnis besitzt auch Scholls ZDF-Pendant, doch das Amüsement hält sich bei Oliver Kahn und seiner TV-Partnerin Katrin Müller-Hohenstein meist in überschaubaren Grenzen. Mit der immer gleichen Mimik und Gestik referiert der frühere Torwart besonders gerne über die psychologischen Aspekte und betont nicht selten, dass er früher selbst Fußball gespielt hat.
„Wenn die Griechen gewinnen, springe ich in die Ostsee“, hatte Kahn zunächst versprochen - und kurz vor dem Spiel gegen Deutschland wieder einen Rückzieher gemacht. Lockerheit sieht anders aus. Der ehemalige Weltklasse-Torhüter, das wird bei der EM wieder deutlich, ist kein TV- und auch kein Twitter-Titan.
„Experten sind authentisch und geben eine andere Glaubwürdigkeit“, erklärte ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz. Im richtigen Moment eingesetzt, sind sie tatsächlich hilfreich, wie das Zweite mit Urs Meier bewies. Der früher zu häufig vor der Kamera präsente Schiedsrichter arbeitet beim ZDF inzwischen mehr im Hintergrund, trat aber in einem schwierigen Moment vors Publikum: Als das Spiel der Ukraine gegen Frankreich für 57 Minuten unterbrochen wurde, erklärte Meier lässig und locker alle offenen Reglement-Fragen.