Mario Gomez: „Stürmer zu sein, ist für mich das Schönste“
Der münchener Torjäger Mario Gomez spricht im Interview über sportliche Rückschläge, das Verhältnis zu seinem Konkurrenten Miroslav Klose, seine Chancen, im Halbfinale wieder zu spielen, und die Aufregung über den Maulwurf im deutschen Lager.
Düsseldorf. Sind Sie mit Italien als deutschem Halbfinalgegner einverstanden?
Gomez: Ich hatte Italien ja schon vor dem Turnier hoch eingeschätzt. Das ist nicht mehr der typische italienische Fußball von früher, wo nur verteidigt wird. Die Italiener haben sich gute Chancen erspielt. Zudem haben sie mit Andrea Pirlo einen überragenden Einzelspieler. Italiens Sieg gegen England war hochverdient. Das Spiel hat mich an unser Champions-League-Finale mit dem FC Bayern gegen den FC Chelsea erinnert. Letztendlich aber spielt es für uns keine Rolle, ob wir nun auf Italien treffen oder gegen England gespielt hätten.
Apropos gespielt. Wie stehen Ihre Chancen, zum Halbfinale in die Startformation zurückzukehren?
Gomez: Das weiß ich nicht. Ich glaube aber nicht, dass schon eine Entscheidung darüber gefallen ist.
Trotz Ihrer Bilanz von drei Toren in drei Spielen mussten Sie im Viertelfinale Miroslav Klose weichen. Haben Sie die Entscheidung des Bundestrainers verstanden?
Gomez: Er hat es ja begründet. Er wollte neuen Schwung für die Offensive.
Ihre Reaktion darauf . . .
Gomez: In einer solchen Situation ist jeder Spieler der Welt enttäuscht. Andererseits hat sich Joachim Löw in den ersten drei Spielen für mich entschieden, obwohl vor der Auftaktpartie gegen Portugal ganz Deutschland dachte, Miro würde spielen. Sich von der öffentlichen Meinung freizumachen, zeichnet den Bundestrainer aus.
Löw hat später gesagt, er habe sich speziell in Ihrem Fall mit dem Wechsel schwergetan. Tröstet das?
Gomez: Dass es ihm schwerfällt, hat er auch mir gesagt. Aber das hilft natürlich nicht.
Auch nicht, dass Sie die letzten zehn Minuten noch spielen durften?
Gomez: Es war schön, noch reinzukommen. Aber an der Gemütslage ändert es nichts. Man ist erst mal ein, zwei Stunden enttäuscht. Und dann geht es weiter.
Wie gehen Sie mit solchen Rückschlägen um?
Gomez: Ich sage nicht, toll, hab ich wieder etwas gelernt. Ich hätte gerne auf diese Phasen verzichtet. Aber wir treiben hier Spitzen- und Leistungssport. Ich habe das auch nicht als Rückschlag empfunden. Die Auswechslung hatte nichts mit meinen Stärken oder Schwächen zu tun. Das war für mich kein Weltuntergang. Ich hab mich hinterher genauso gefreut wie die anderen auch, dass wir gegen die Griechen gewonnen haben.
In der Nationalmannschaft heißt es für die eine Stürmerposition Klose oder Gomez. Wie ist Ihr Verhältnis?
Gomez: Zwischen Miro und mir gibt es keine Rivalität, die über das Spielfeld hinausgeht.
Bei dieser EM wird mehr als sonst Wert auf die Defensive gelegt. Haben es die Stürmer hier besonders schwer?
Gomez: Ja. Allein schon deshalb, weil du auf die besten Verteidiger der Welt triffst. Dann hast du auch meistens zwei Gegenspieler. Weil ich in der Champions League häufig getroffen habe, entwickeln Verteidiger wie Portugals Pepe, der schon in den Spielen mit Bayern gegen Real Madrid mein Bewacher war, besonderen Ehrgeiz, ein weiteres Tor von mir zu verhindern. Aber ich will darüber nicht klagen. Für mich ist es nach wie vor das Schönste, Stürmer zu sein.
Ihre Situation ist ein Beispiel dafür, wie eng die Leistungsdichte im Kader ist. Wie wichtig ist die Ersatzbank für den Mannschaftserfolg?
Gomez: Bei uns kann der Trainer aus 23 Spieler diejenigen auswählen, die er für seine Strategie benötigt. Da passen der Teamgeist und die Mentalität. Ich glaube, dass bei der Auswahl der Spieler auch diese Kriterien eine Rolle gespielt haben. Es freut sich tatsächlich jeder für den anderen. Das ist manchmal nicht einfach, wenn man draußen sitzt und die Mannschaft gewinnt. In den Gesichtern der französischen Spieler hat man bei den Auswechslungen gesehen, was bei denen alles vorgeht. Das gibt es bei uns nicht.
Dafür gibt es einen Maulwurf, der die Aufstellung schon Stunden vor dem Spiel an die Medien weitergibt. Wie wirkt sich dessen Existenz auf das Verhältnis im DFB-Quartier aus?
Gomez: Das Lustige an der Geschichte ist doch, dass diejenigen, die zuerst die Aufstellung hatten, jetzt den Maulwurf suchen. Ich verstehe gar nicht, was an der Aufstellung so wichtig sein soll. 75 Minuten vor dem Spiel hat sie sowieso jeder.
Unter welchen Umständen würden Sie sagen, diese EM war ein Erfolg?
Gomez: Ich will ins Finale und gewinnen. Aber das hängt von vielen Dingen ab. Italien hatte gegen England den Sieg zwar verdient, am Ende brauchte es auch Glück.
Mehmet Scholl hat Sie nach dem Eröffnungsspiel hart kritisiert. Hat er sich einmal bei Ihnen gemeldet?
Gomez: Nein. Die Sache ist für mich längst vorbei. Ich hoffe, auch für ihn.