Michael O'Neill euphorisiert Nordirland: „Das ist genial“
Paris (dpa) - Michael O'Neill setzte noch einen drauf. Nach 30 Jahren ohne Teilnahme an einem großen Turnier führte er Nordirland nach Frankreich zur ersten Fußball-Europameisterschaft der Geschichte.
Dafür feiern ihn seine Landsleute schon seit Monaten. Vor dem Duell mit Deutschland am Dienstag in Paris (18.00 Uhr) wird der 46 Jahre alte Trainer aber nicht mehr nur geliebt - sondern verehrt.
Der Verband befürchtet sogar schon einen möglichen Abschied O'Neills, der eine Ausstiegsklausel in seinem erst kürzlich bis 2020 verlängerten Vertrag besitzt. „Wir wollen, das Michael sehr lange bei uns bleibt. Aber klar ist auch: Je mehr gute Entscheidungen er trifft, desto größer wird das Interesse an ihm“, sagte Präsident Jim Shaw über den Sympathieträger des ganzen Landes.
Auslöser der Euphorie war das 2:0 gegen die Ukraine am vergangenen Donnerstag. Mit dem ersten Sieg einer nordirischen Nationalmannschaft bei einer EM wurde die Grundlage dafür geschaffen, dass das Achtelfinale vor der Partie gegen den Weltmeister in Reichweite ist. Vor allem die Art und Weise, wie O'Neill die Mannschaft führt, sorgt für Begeisterung. Zum Wohle der Mannschaft riskierte er sogar seine Reputation.
O'Neill ist seit Februar 2012 im Amt. In den ersten 25 Monaten absolvierte Nordirland 18 Spiele unter seiner Führung. Die Zahl der gewonnenen Spiele in dieser Zeit: eins. Tiefpunkt war ein 2:3 gegen Luxemburg in der Qualifikation zur WM 2014.
Doch O'Neill ließ sich nicht beirren, arbeitete an den Details und startete in die EM-Qualifikation mit einem 2:1 in Ungarn. Was folgte war ein Durchmarsch: Nordirland wurde Gruppenerster und reiste mit einer Serie von zwölf Spielen ohne Niederlage nach Frankreich. Kein EM-Teilnehmer war erfolgreicher. Und das mit einem Kader, in dem selbst Drittligaspieler wie Linksverteidiger Conor McLaughlin einen Stammplatz haben.
Zum EM-Auftakt gegen Polen jedoch enttäuschten die üblicherweise kampf- und laufstarken Nordiren auf ganzer Linie. Dann kam das Match gegen die Ukraine - und O'Neill überraschte eine Stunde vor dem Anpfiff mit fünf Änderungen in der Startelf. Im für Nordirland wichtigsten Spiel seit der WM 1986 war das ein mutiger Schritt. Wirklich geschockt waren seine Landsleute aber über die Position von Kyle Lafferty - denn der Toptorjäger saß auf der Bank.
Anstelle des 28 Jahre alten siebenfachen Torschützen aus der EM-Quali - einem Spieler, zu dem O'Neill ein Vater-Sohn-Verhältnis pflegt und der erst unter ihm seine Faulheit und Allüren zum Wohle der Mannschaft ablegte - durfte Conor Washington in der Sturmspitze auflaufen. Ein Mann, der bei der EM 2012 noch als Postbote gearbeitet und in der 7. Liga gekickt hat.
Doch alles lief nach Plan. Die Taktik, die Aufstellung, das Ergebnis. Das Tor zum 2:0 war eine Co-Produktion zweier Einwechselspieler. „Das ist kein Glück. Das ist genial“, urteilte der „Belfast Telegraph“ auch mit dem Abstand von ein paar Tagen über O'Neills Maßnahmen.
Bis etwa eine Stunde vor dem Anpfiff im Pariser Prinzenpark werden nun alle rätseln, welche Idee O'Neill für die Partie gegen die DFB-Elf hat. Der Glaube daran, dass es ein sehr guter sein wird, war nie größer. „Er lässt keinen Stein auf dem anderen. Wir kennen den Gegner sehr gut, die Schwächen und Stärken“, sagte Kapitän Steven Davis am Tag vor der Partie.
„Das wird ein schweres Spiel für Michaels Männer. Aber mit ihm in der Verantwortung und Steven als Kapitän sind sie dafür bereit“, urteilte Nordirlands Rekordtorschütze David Healy in seiner Kolumne für den „Belfast Telegraph“ und bekräftigte: „Da könnt ihr euch sicher sein.“