Nach 2:1 - Frankreich braucht ein bisschen „Wahnsinn“

Clairefontaine (dpa) - Frankreichs Fußball-Helden wollen mehr Rücksicht auf die Gesundheit und die Liebe ihrer Fans nehmen. Gegen das Sensations-Team der EM aus Island muss sich die Grande Nation aber schon jetzt auf die nächste Nervenprobe einstellen.

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Selbst wenn Antoine Griezmann betonte: „Wir müssen uns verbessern am Anfang der Spiele, ansonsten ist das nicht gut fürs Herz der Franzosen.“ Als hätte es der Doppeltorschütze vom 2:1-Achtelfinalsieg von Lyon gegen Irland schon geahnt, dass es gegen die nächste schier nimmermüde Truppe geht, meinte er: „Wir haben ein Team, dass bis zum Schluss dabei sein kann, aber wir müssen das auch auf dem Platz zeigen.“ Auch gegen Island. „Wir sind jetzt im Viertelfinale, und egal, welcher Gegner kommt, man kann sich keine Ausrutscher mehr erlauben, da muss man alles geben“, betonte Deschamps.

Durch einen 2:1-Sieg gegen das Fußball-Mutterland verhinderte Island einen der europäischen Klassiker und steht selbst nun am Sonntag im Stade de France von Saint-Denis den Franzosen gegenüber. Ein Sieg gegen Frankreich gelang Island noch nie. Von elf Duellen verloren sie acht, drei gingen unentschieden aus. Nur heißt das gar nichts.

Gegen die defensivstarken und gegen die Engländer zweimal durch die Angriffsmitte erfolgreichen Isländer muss Frankreichs Trainer auf den lauf- und zweitkampfstarken N'Golo Kanté und Innenverteidiger Adil Rami verzichten. Beide sind gelbgesperrt. Vermutlich wird Deschamps auch wieder eine Systemänderung vornehmen, um seiner Offensive den nötigen Freiraum zu geben.

„Man darf nicht zuviel kalkulieren. Die Spieler brauchen Disziplin, aber manchmal ist man besser, wenn man auch ein bisschen Wahnsinn mitbringt“, meinte Deschamps nach dem Erfolg über die Iren. „Ich hoffe es“, antwortete Deschamps auf die Frage, ob der Sieg so etwas wie der Befreiungsschlag gewesen sei. „Das Abenteuer geht weiter“, twitterte Manndecker Laurent Koscielny über einem Foto mit Griezmann - erst langsam wich die Last, die nach auf dem Platz sogar den Jubel nach dem Abpfiff noch erdrückt hatte.

Überzeugen konnten die Franzosen, die nach Rumänien, Albanien und die Iren in Island auf die nächste abwehrstarke Mannschaft treffen, erst in der zweiten Halbzeit. Vor allem die Hereinnahme von Bayern Münchens Kingsley Coman für Kanté machte sich bezahlt.

Der 20-Jährige sollte Unordnung stiften bei den tapfer kämpfenden Iren. Das funktionierte. „Coman hat mit seiner Schnelligkeit und Durchschlagskraft den Unterschied gemacht“, meinte Blaise Matuidi. „In der zweiten Halbzeit haben wir unsere Trümpfe ausgespielt“, ergänzte Mittelstürmer Olivier Giroud.

Auch, weil sich die Spieler selbst in der Pause in die Pflicht genommen hatten. „Wir haben uns gesagt, dass wir so nicht aus dem Turnier ausscheiden können“, erklärte Patrice Evra. „Wir haben uns gesagt, dass wir auf dem Platz unser Leben geben müssen“, meinte der 35 Jahre alte Routinier der Équipe Tricolore.

Die Zeitung „Le Parisien“ schwärmte dafür am Tag danach vom „enormen Herz“, das die Mannschaft bewiesen habe. „Befreit“, titelte die Sportzeitung „L'Équipe“ am Montag auf Seite eins, auch wenn erneut das Ausnahme-Können und die Brillanz Einzelner den Erfolg des Teams garantierten.

Für Griezmann waren es die Turniertore zwei und drei. Und das, nachdem die Sorgen um ihn schon groß waren. Zu erschöpft womöglich nach einer langen Saison mit Champions-League-Finalist Atlético Madrid, hieß es bereits. Griezmann: „Man muss die Kritik akzeptieren, das ist das Geschäft. Aber ich zerbreche mir darüber nicht den Kopf.“

Bis Sonntag haben er und seine Kollegen nun Zeit, sich zu erholen. Eine weite Anreise werden sie zu ihrem Viertelfinale im Stade de France auch nicht haben. Rund 60 Kilometer sind es von Clairefontaine nach Saint-Denis. Ob die Franzosen eine Woche später wieder den kurzen Tripp antreten zum Finale, hängt nun erstmal von dem Auftritt gegen Island ab.