Polen feiert Blaszczykowski - „Was für eine Rakete“

Warschau (dpa) - Er küsste den Adler auf der Trikotbrust, sank auf die Knie und reckte die Hände gen Himmel - die Bilder des jubelnden Jakub Blaszczykowski liefen im polnischen Fernsehen auch am Tag danach im Stundentakt.

Mit seinem Traumtor zum 1:1 (0:1) gegen Russland stieg der Mannschaftskapitän in den Rang eines Nationalhelden auf. Zwar muss sein Team weiter auf den ersten Sieg bei der Fußball-EM im eigenen Land warten, schöpfte aber neuen Mut im Kampf um den Viertelfinal-Einzug. „Für uns alle wird es das wichtigste Spiel der letzten Zeit sein - ein kleines Finale“, sagte der Dortmunder Meisterspieler mit Blick auf die entscheidende Partie in der Gruppe A gegen Tschechien am Samstag in Breslau.

Der Hype um „Kuba“ drängte zumindest im Gastgeberland die schweren Krawalle in der Warschauer Innenstadt vor und nach dem Spiel mit rund 200 Festnahmen in den Hintergrund. Nicht die Fotos von prügelnden Hooligans, sondern die Bilder des freudestrahlenden Torschützen dominierten am Mittwoch die Titelblätter der Zeitungen. „Was für eine Rakete! Kuba Blaszczykowski schoss das bisher schönste Tor der EM“, schwärmte „Gazeta Wyborcza“. Ähnlich martialisch umschrieb „Super Express“ den Treffer als „machtvolle Bombe“.

Wie schon beim Meister aus Dortmund, wo er selbst den lange Zeit verletzten Shooting-Star Mario Götze in der Bundesliga-Rückrunde vergessen machte, spielt Blaszczykowski auch in der polnischen Nationalmannschaft groß auf. Sein sehenswerter Linksschuss von der Strafraumgrenze ins lange Eck des russischen Tores verzückte nicht nur die knapp 56 000 Zuschauer im Nationalstadion, sondern auch Hunderttausende in den zahllosen Fanzonen des Landes. „Wir sind noch im Rennen und haben bewiesen, dass wir Charakter haben“, betonte der rechte Flügelspieler voller Hoffnung auf einen Sieg über Tschechien, der den Weg in die K.o.-Runde ebnen würde.

Einen besseren Kapitän hätte sich Trainer Franciszek Smuda kaum wünschen können. Zwei Meistertitel und der diesjährige Double-Triumph mit Dortmund haben dem lange Jahre zaudernden Blaszczykowski zu großem Selbstvertrauen verholfen. Sowohl auf dem Platz als auch in den zahlreichen Interviews trat der vielleicht wichtigste polnische Nationalspieler zuletzt mit unerschütterlicher Entschlossenheit auf.

Die Entscheidung, nach langem Schweigen offensiv mit seiner Vergangenheit umzugehen, befreite möglicherweise von einer schweren Last. „Ich werde das nie verstehen. Warum?“, fragte Blaszczykowski in einem bewegenden und vielbeachteten TV-Interview. Die tödliche Messerattacke seines Vaters auf die Mutter veränderte das Leben des damals 11-Jährigen grundlegend. Zusammen mit seinem älteren Bruder wuchs Blaszczykowski bei der Großmutter auf. Das unfassbare Erlebnis nahm die Freude am Fußball. Onkel Jerzy Brzeczek, ehemaliger polnischer Nationalspieler, überredete den traumatisierten Jungen nach einjähriger Pause zu einer Rückkehr auf den Platz.

Von dieser Leidensgeschichte ist seit Beginn der EM und dem kürzlichen Tod seines Vaters viel zu lesen. An der Entschlossenheit von Blaszczykowski, das Turnier für die polnische Mannschaft zu einer Erfolgsgeschichte zu machen, kann das nichts ändern: „Vor uns liegt eine richtig große Chance - die wollen wir nutzen.“