Ronaldo: Endlich Treffer gegen die Niederlande?

Opalenica (dpa) - Das unbegreifliche Formtief von Cristiano Ronaldo hat selbst die erfahrensten Beobachter des portugiesischen EM-Teams zu Hobby-Seelenklempnern werden lassen.

„Die Siegesbesessenheit ist zu Ronaldos ärgstem Feind geworden“, titelte die seriöse Zeitung „Público“ - und räumt dem Superstar noch eine letzte Chance zum Vorrundenabschluss am Sonntag gegen die Niederlande ein.

Einen Sieg oder im Fall eines deutschen Erfolges gegen Dänemark einen Punkt muss der EM-Zweite von 2008 einfahren, um das Viertelfinal-Ticket zu lösen. Und der große Hoffnungsträger ist weiterhin Ronaldo trotz seiner ernüchternden Auftritte gegen Deutschland und Dänemark. Der 27 Jahre alte Superstar steckt in einer Formkrise, in der Heimat wollen sie das aber nicht gelten lassen. Zu wichtig ist die EM, um den erträumten Titel einfach herzuschenken.

„Wir haben Ronaldo schon vor der EURO entschuldigt und gesagt, man könne von ihm nicht alles fordern. Aber wenn nicht von Ronaldo, von wem dann?“, fragte der portugiesische Trainer-Oldie Manuel Cajuda, zuletzt bis zum März bei União Leiria im Amt. Der Druck auf den Glamourboy wächst jedenfalls mit jeder weiteren Enttäuschung, und über die Gründe seiner plötzlichen Durststrecke rätseln alle. Ronaldo führe „einen verzweifelten inneren Kampf“, um erstmals seit 2008 zum Weltfußballer gewählt zu werden“, mutmaßte „Público“.

Als Beleg für den angeknacksten Seelenzustand des pfeilschnellen Außenstürmers werden vor allem Ronaldos zwei vergebene Großchancen gegen die Dänen herangezogen. Sein Perfektionismus vor dem Tor sei zur Beklemmung geworden. „Ronaldo ist extrem konkurrenzorientiert. Er kann mit Niederlagen sehr schlecht umgehen, selbst wenn er im Tischtennis gegen Nani verliert“, urteilte Sportpsychologe Jorge Silveiro. Bereits 5826 Pflichtspielminuten, fast 65 gesamte Partien, hat Ronaldo vor EM-Beginn in einer Art Marathonsaison absolviert. „Er ist wohl körperlich und auch psychisch ausgelaugt“, sagte Silveiro.

Ronaldo selbst versucht, mit Durchhalteparolen Optimismus zu verbreiten - und sich bloß keine Selbstzweifel anmerken zu lassen, die würden schließlich nicht passen zum ausgeprägten Ego des Vorzeigedribblers. „Wenn ich keine Tore schieße und das Team gewinnt, dann bin ich voll zufrieden“, äußerte er nach dem 3:2 über Dänemark.

Die Teamkollegen reagieren mittlerweile nur noch genervt auf die Hysterie um ihren Mannschaftskapitän. „Wir zählen nur auf diejenigen, die uns unterstützen wollen“, sagte Offensivkraft Nani dem Sportblatt „O Jogo“, das mit dem Zitat des ManUnited-Stürmers groß aufmachte. Auch Trainer Paulo Bento hat die Diskussionen satt. „Alle reden immer nur über Ronaldo“, lästerte er dieser Tage und bemerkte trotz aller berechtigter Kritik beinahe spitzbübisch: „Aus unserer Sicht hat er zwei gute Spiele gemacht. Alle von uns freuen sich nun auf Holland.“

Ersatz-Verteidiger Ricardo Costa hob heraus, Ronaldo sei viel gerannt und habe dem Team dadurch geholfen. In Charkow gegen die Niederlande wird dem Star von Real Madrid Laufarbeit allein aber kaum für gute Zeugnisse reichen, weder bei Journalisten noch bei Anhängern. Die portugiesischen Kirchenvertreter halten dagegen noch zu ihm. Der Sprecher der Bischofskonferenz, Manuel Morujão, bat schon einmal vorab um Nachsicht: „Er kann nicht immer glänzen. Ein Team besteht aus elf Spielern.“