Ronaldo, Rooney, Ribéry - Die EM der Etablierten

Warschau (dpa) - Für Emporkömmlinge ist auf der EM-Bühne kein Platz. Cristiano Ronaldo zaubert die Portugiesen ins Halbfinale, Wayne Rooney köpft England in die K.o.-Runde und Franck Ribéry versucht sich als Anführer einer aufgewühlten Équipe Tricolore.

Die altgedienten Alphatiere der mächtigen Fußball-Nationen verteidigen bei der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine ihr Revier. Anders als bei der WM vor zwei Jahren in Südafrika, als sich die deutsche Turnierentdeckung Thomas Müller mit Toren und Temperament ins Rampenlicht schoss, hat sich bei der EM noch keiner der hochgehandelten Jungstars bei den zahlreichen Scouts nachdrücklich empfohlen.

Ob der Däne Christian Eriksen, Russlands Alan Dsagojew oder Italiens „enfant terrible“ Mario Balotelli - die Zukunftsversprechungen sind vor den Viertelfinals Spanien gegen Frankreich am Samstag in Donezk (20.45 Uhr) und England gegen Italien am Sonntag in Kiew (20.45 Uhr) entweder bereits abgereist oder über eine Rolle als Mitläufer nicht hinausgewachsen.

„Die EM ist ein schwieriges Turnier, schwerer als eine WM. Die Konkurrenz ist extrem stark. Für einen neuen Spieler ist es nicht so einfach bei all den großen Namen“, sagte UEFA-Präsident Michel Platini. Der Europameister von 1984 hat in seiner Funktion als Chef der Europäischen Fußball-Union jedes Team bei der EURO mindestens einmal live im Stadion gesehen. „Etwas Neues zu entdecken, ist schwierig“, analysierte der frühere französische Weltklasse-Spieler.

Der russische Angreifer Dsagojew (21) galt nach seinen drei EM-Toren als verheißungsvollste Turnierentdeckung, ist aber nach dem Vorrunden-Aus längst wieder in der Heimat. Die Tschechen tauften den künftigen Wolfsburger Bundesliga-Profi Vaclav Pilar (23) schon mit dezenter Übertreibung „Mini-Messi“. Doch als Routinier Tomas Rosicky (31) im Alles-oder-nichts-Spiel gegen Ronaldos Portugiesen am Donnerstag in Warschau (0:1) passen musste, war die Rolle des Anführers, der sich gegen die Pleite stemmte, noch zu groß für ihn.

Bei Co-Gastgeber Ukraine stand Stürmerstar Andrej Schewtschenko (35) im entscheidenden Gruppenspiel gegen England nicht in der Startelf und konnte nach seiner Einwechslung 20 Minuten vor Ende den K.o. nicht mehr abwenden. Für die tapferen Schweden wiederum waren die Tore von Zlatan Ibrahimovic (30) und Olof Mellberg (34) zu wenig.

So sind es vor den beiden abschließenden Viertelfinal-Knallern auch wieder die Alten, auf denen die Hoffnungen und Lasten einer ganzen Nation ruhen. Bayerns Ribéry (29) soll die Franzosen nach dem Kabinenknatsch gegen den scheinbar übermächtigen Titelverteidiger aus Spanien zur Sensation führen. Der Welt- und Europameister geriert sich zumindest bei dieser EM auch nicht als Talentbörse. Die Mittelfeldstrategen Andres Iniesta (28) und Xavi (32) bleiben die Säulen der spanischen Spielstärke.

Die Tifosi hoffen im Duell der früheren Weltmeister hinten auf die Künste von Torwart-Oldie Gianluigi Buffon (34) und vorne auf die Ideen von Altmeister Andrea Pirlo (33). Beim Gegner von der Insel wiederum ist der 32 Jahre alte Steven Gerrard Herz, Lunge und Gehirn zugleich. „Er spielt wirklich durchgehend wie ein Kapitän“, lobte Englands Coach Roy Hodgson seinen Schlüsselspieler.

Wayne Rooney, zwar auch erst 26, aber schon bei seinem vierten großen Turnier dabei, fehlte in den ersten beiden Partien gesperrt. So durften beim spektakulären 3:2 gegen Schweden erstmals die Jungstars Carroll (23), Danny Welbeck (21) und Theo Walcott (23) als Torschützen-Trio glänzen - und wurden schon als „Wunderknaben“ gefeiert. Das Boulevard-Blatt „The Sun“ fragte prompt: „Wen rasiert Roy nun bloß, um den Weg für Rooney freizumachen?“. Keine Frage: Im Gruppen-Endspiel gegen die Ukraine setzte Hodgson auf Routine und Rooney - Carroll und Walcott saßen nur auf der Bank.