Englands Titel-Sehnsucht: „Hier, um zu gewinnen“

Krakau (dpa) - Wayne Rooney schritt entschlossen voran. Der englische Superstar kann den EM-Viertelfinal-Hit gegen Italien kaum erwarten - und stürmte am Freitag im Regen von Krakau gleich als Erster auf den Trainingsplatz.

Seine Kollegen gaben Interviews, Rooney wollte sich bei der letzten Übungseinheit vor der Abreise nach Kiew nicht ablenken lassen. England hat mal wieder die Titel-Sehnsucht gepackt - wie so oft in den vergangenen 46 Jahren. „Wir sind hier, um die EURO zu gewinnen“, tönte der 26 Jahre alte Superstar von Manchester United vor dem EURO-Schlager am Sonntag.

Die selbstbewusste Ansage überrascht. Vor dem Turnier als krasser Außenseiter gehandelt, glauben die „Three Lions“ nach ihrem überraschenden Gruppensieg noch vor Frankreich inzwischen an sich. „Wir sind so gut organisiert wie nie zuvor. Jeder kämpft für den anderen, wir haben eine wirklich große Chance“, sagte Rooney, der nach seiner Rotsperre in den ersten beiden EM-Spielen gleich mit dem Siegtor beim 1:0 gegen die Ukraine in das Turnier gestartet war. „Wir sind hier, um Spiele zu gewinnen. Das Viertelfinale soll für uns noch nicht alles gewesen sein. Wir werden versuchen, die Leute glücklich zu machen“, versprach auch Torhüter Joe Hart.

Selbst vor dem viermaligen Weltmeister Italien - seit 35 Jahren gegen England ohne Pflichtspiel-Niederlage - zittern die Engländer nicht mehr. Im Gegenteil. „Das wird sicher kein einfaches Spiel, aber wir haben die Spieler, wir haben den Glauben und wir haben den Zusammenhalt, um die Aufgabe zu erledigen“, versicherte Rooney vor dem Klassiker. Englands Coach Roy Hodgson ist Italien-Kenner. Von 1995 bis 1997 hatte er Inter Mailand trainiert - und mit dem Traditionsclub im UEFA-Pokalfinale 1997 gegen Schalke 04 verloren.

Der 64 Jahre alte Hodgson ist für viele der Vater des englischen EM-Erfolgs. Innerhalb kürzester Zeit schuf er ein verschworenes Team mit vielen Talenten, das bedingungslos zusammenhält. Rooney sprach bereits von der „besten Stimmung innerhalb des Teams“, an die er sich bei einem Turnier erinnern könne. „Wir wachsen mit jedem Spiel, waren bislang mit den richtigen Vorbereitungen und Taktiken perfekt eingestellt“, lobte auch Hart.

Dabei hatten selbst englische Buchmacher dem eigenen Team vor Turnierbeginn nicht viel zugetraut. Zu groß schienen die Probleme: Nach dem Rücktritt von Fabio Capello als Nationaltrainer im Frühjahr war mehrere Monate unklar, mit welchem Coach England ins Turnier gehen würde. Als Hodgson Anfang Mai überraschend als Capello-Nachfolger präsentiert wurde, sagten mehrere Stammspieler verletzungsbedingt ab. Zudem ließ Hodgson Abwehrroutinier Rio Ferdinand daheim und wurde dafür angegangen. Die Kritiker nölten, England habe keine Chance.

„Nach dem Rücktritt von Capello war es schwierig abzuschätzen, was das für ein Turnier wird. Da war eine schwierige Phase“, gab Verteidiger Glen Johnson zu, konnte nach dem Viertelfinaleinzug nun aber behaupten: „Wir sind immer optimistisch gewesen. Die Fans und Medien waren es nicht.“ Auch das hat sich geändert. „England furchtlos bei dieser EM“, schrieb der „Telegraph“, „Wir sind wieder wer“, stellte „The Independent“ fest. Vor dem Schlager gegen die Italiener erinnerte Hodgson seine Profis noch einmal daran, doch bitteschön lautstark die Nationalhymne mitzusingen. Der englische Optimismus gibt wieder den Ton an.