Torklau von Donezk Rückschlag für UEFA
Donezk (dpa) - Nach dem Torklau von Donezk hat Joseph Blatter vehement die Einführung technischer Hilfsmitteln für Schiedsrichter gefordert und den Druck auf die Technik-Gegner bei der UEFA erhöht.
„Nach dem Spiel der vergangenen Nacht ist die Torlinien-Technologie keine Alternative mehr, sondern eine Notwendigkeit“, teilte der Boss des Fußball-Weltverbandes FIFA über den Kurznachrichtendienst Twitter mit.
Der Blackout des ungarischen Torrichters, der den Treffer von Marko Devic bei der 0:1-Niederlage der Ukraine gegen England nicht erkannte, stürzt vor allem UEFA-Präsident Michel Platini in Erklärungsnöte. Der Franzose hatte nur 24 Stunden zuvor bekräftigt, eine „menschliche Lösung“ zu favorisieren.
Das Echo auf die fatale Fehlentscheidung dürfte dem ehemaligen Weltklassespieler mächtig in den Ohren geklingelt haben. „Fünf Schiedsrichter und kein Tor: Der Ukraine wird ein klarer Treffer verweigert. Wie viele Referees braucht man noch?“ schrieb die ukrainische Zeitung „Segodnja“ nach dem Vorrunden-Aus des zweiten EM-Gastgebers und brachte damit die nun wieder angeheizte Debatte um technische Hilfen im Fußball auf den Punkt.
Klare Worte kamen auch von Felix Magath und Theo Zwanziger. „Ein glasklares Tor wurde nicht gegeben, weil ein Signal aus dem Ball nicht vorhanden, der Blick auf den Monitor nicht gestattet, technische Hilfsmittel zur Erkennung eines Treffers nicht vorhanden (sind). Es ist Zeit zu handeln!“, schrieb Wolfsburg-Trainer Magath in einem Facebook-Beitrag. „Ich habe nichts gegen den Einsatz einer Torkamera, sofern sie technisch ausgereift ist“, sagte der frühere DFB-Präsident Zwanziger der „Bild-Zeitung“.
Was die Gemüter auch außerhalb der Ukraine so erregte, war eine Szene nach gut einer Stunde Spielzeit. Es lief die 62. Minute an diesem denkwürdigen Abend in der Donbass Arena in Donezk. Ein Schuss des ukrainischen Angreifers Marko Devic senkte sich über Englands Torwart Joe Hart hinab. Der Ball überquerte knapp, aber doch deutlich für alle Fernsehkameras sichtbar die Linie, bevor ihn Englands Routinier John Terry wieder ins Feld beförderte.
Was alle TV-Kameras einfingen, was alle Menschen im Stadion später zu sehen bekamen und was als die Fehlentscheidung dieser EM-Vorrunde in die Rückblicke eingehen wird, hatte der ungarische Torrichter Istvan Vad nicht erkannt. Das Spiel lief weiter, die Ukraine war um den verdienten Ausgleich gebracht - und musste sich am Ende nach dem 0:1 durch das Tor von Wayne Rooney von dieser EM verabschieden.
Für die Turnierstimmung ein herber Verlust, für die Europäische Fußball-Union ein schwerer Rückschlag. Bis zu diesem letzten Vorrunden-Spieltag hatten in der UEFA von Schiedsrichterchef Pierluigi Collina bis zu Präsident Platini alle das erstmals bei einer großen Veranstaltung getestete System mit den sogenannten additional assistant referees gepriesen.
Collina räumte Fehler ein. „Sie haben recht, der Ball war hinter der Linie. Es war ein menschlicher Fehler, verursacht durch einen Menschen“, sagte der Italiener in Warschau. „Es gab drei Torsituationen während der EM, bei denen der Torrichter einen wesentlichen Beitrag zur eigentlichen Entscheidung des Haupt-Referees gab. Zwei waren sehr korrekt, leider war die dritte Entscheidung falsch.“ Collina betonte: „Wir sprechen über ein paar wenige Zentimeter.“
„Das ist das Turnier mit den besten Schiedsrichterleistungen bisher“, hatte Platini noch am Montag in seiner Vorrundenbilanz gesagt und seine Kritik an der von der FIFA favorisierten Torlinientechnologie erneuert. „Man braucht solche Systeme nicht, Technik, Satellit, GPS oder Chip im Ball“, hatte der Franzose betont und gesagt, dass das legendäre nicht-gegebene Tor von Frank Lampard im Spiel gegen Deutschland bei der WM 2010 in Südafrika mit einem Torrichter auf alle Fälle erkannt worden wäre. „Weil es sein Job ist, zu sehen, ob der Ball hinter der Linie ist“, sagte Platini.
Nur einen Tag später sollte ihn diese Aussage einholen. Denn beim ukrainischen Torklau tauchte wieder die Frage auf, warum es bei der EURO Torrichter gibt, wenn diese trotz bester Sicht auf das Geschehen in kritischen Momenten versagen. So wie übrigens auch der deutsche Torrichter Florian Mayer beim ausgebliebenen Elfmeterpfiff von Wolfgang Stark nach dem Foul von Sergio Ramos an Mario Mandzukic im Spiel Spanien gegen Kroatien.