UEFA kämpft gegen Rassismus bei EM

Warschau (dpa) - Die Sorge vor EM-Beginn war groß. UEFA-Präsident Michel Platini musste bei seinem ersten Auftritt in Polen mehr Fragen zum Thema Rassismus beantworten als zur anstehenden Fußball-Europameisterschaft.

Ein umstrittener BBC-Bericht über Rechtsradikale in der Ukraine hatte heftige Debatten ausgelöst, Ängste geschürt und Platini in Erklärungsnot gebracht. Als dann eine kleine Gruppe polnischer Fans das Training der Niederländer mit Affengeräuschen störte, die erste Banane am Spielfeldrand lag, die dunkelhäutigen Profis Mario Balotelli (Italien) und Theodor Gebre Selassie (Tschechien) im Stadion rassistisch beleidigt wurden und im deutschen Fanblock eine Nazi-Fahne hing, schienen sich sämtliche Vorurteile zu bestätigen.

Die Organisation Football Against Racism in Europe (FARE), mit der die UEFA zusammenarbeitet, berichtete von 300 bis 500 kroatischen Fans, die Balotelli rassistisch beleidigt hatten. FARE hat bei jeder Partie Mitarbeiter in den Fanblocks, die die Sprache der jeweiligen Teams beherrschen. „Wir waren geschockt von dem, was wir gehört haben“, berichtete FARE-Chef Piara Powar an die UEFA.

Das Thema Rassismus war in aller Munde. Zusätzliche Brisanz erhielten die Zwischenfälle durch die Balotelli-Aussagen vor der EM. „Wenn mich jemand auf der Straße mit einer Banane bewirft, würde ich ins Gefängnis gehen, weil ich denjenigen umbringen würde“, hatte der italienische Stürmerstar gesagt und betont, auch in den Stadien rassistische Aktionen nicht zu akzeptieren. Sollte dies passieren, werde er die Koffer packen und sofort nach Hause fahren.

Balotelli ist noch da und trifft mit den Azzuri im Viertelfinale am Sonntag in Kiew auf England. Der Tscheche Gebre Selassie hatte die Beleidigungen vor dem Viertelfinale gegen Portugal am Donnerstag eher ignoriert. Er tat sie als nicht so schlimm ab - wohl mehr aus Selbstschutz.

„Bislang waren das nur Einzelfälle. Aber jeder Fall von Rassismus ist einer zu viel“, sagt UEFA-Chef Platini. So sehen es auch der Vater und das Management von Mesut Özil, die wegen der Internet-Hetze gegen den Real-Madrid-Star vor dem Dänemark-Spiel Anzeige gegen Unbekannt erstatteten. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bezeichnete die Twitter-Parolen gegen Özil als „widerwärtig“.

Tatsächlich ist das Problem bei der EM aber weniger allgegenwärtig als befürchtet. Als unverbesserliche Idioten präsentierten sich nur Teile der kroatischen Fans. „Die vielen Berichte über rassistische Zwischenfälle bei der EM haben einen falschen Eindruck hervorgerufen“, schrieb die „Financial Times“ am Donnerstag und führte weiter aus: „In diesem Klima wird eine Banane, die vielleicht geworfen wurde oder auch nicht geworfen wurde, zu einer internationalen Nachricht.“

Die Disziplinarkammer der UEFA geht gegen sämtliche Zwischenfälle vor - das Strafmaß allerdings ruft teilweise heftige Kritik hervor. So musste der dänische Stürmer Nicklas Bendtner wegen seiner verbotenen Unterhosen-Werbung 100 000 Euro zahlen, der kroatische Verband wegen rassistischer Fangesänge gegen Balotelli nur 80 000 Euro. „Die UEFA verhängt geringe Strafen für Rassismus, aber heftige für weniger schlimme Vergehen“, schimpfte der nicht für die EM berücksichtigte englische Nationalspieler Rio Ferdinand.

Dessen früherer Teamkollege Sol Campbell hatte vor der EM noch in einem vielbeachteten Statement vor Reisen in die Ukraine gewarnt. „Bleibt zu Hause, schaut euch das im Fernsehen an! Riskiert es erst gar nicht! Es könnte sein, dass ihr im Sarg nach Hause kommt“, hatte der frühere Nationalspieler an die englischen Fans appelliert.

Die Reaktion einiger Anhänger aus dem Mutterland des Fußballs nach zwei EM-Wochen war eindeutig. „Fuck off, Sol Campbell. Wir machen, was wir wollen“, hatten etwa 300 Fans vor dem letzten Gruppenspiel gegen den Co-Gastgeber Ukraine vor einem Pub in Donezk gebrüllt. Und die „Financial Times“ schrieb: „Bemerkenswert ist nicht, wie viele Zusammenstöße es bisher zwischen rivalisierenden Fans gab, sondern wie wenige. Und ethnisch begründete Gewalt gab es hier bisher erst ein Mal: Nicht zwischen Weißen und Schwarzen, sondern zwischen Polen und Russen.“