Wie Özil von Reus profitiert
Vom Bankdrücker zum genialen Assistenten des Spielmachers: Der Gladbacher Reus bemüht sich, das Bestmögliche aus sich herauszuholen. Sogar aus seiner Frisur.
Sopot. Die Frau aus Asien sieht ein bisschen witzig aus, und die Frage, ob er denn nun die bessere Frisur als Mario Gomez habe, war dann auch ganz witzig.
Es wurde jedenfalls selten so gelacht im DFB-Medienzentrum wie in jenem Moment, als Marco Reus nach kurzem Geplänkel („Ich will jetzt nichts Falsches über Mario sagen“) ziemlich ernsthaft darauf antwortete: „Gut, ich versuche natürlich, das Bestmögliche aus mir herauszuholen.“
Reus musste dann selbst lachen, er hatte sie in diesem Moment alle für sich gewonnen. Und eigentlich war ihm das schon am Abend zuvor gelungen.
Der Bundestrainer, die Fans, der Medientross — alle gefangen genommen von dem rechten Mittelfeldspieler, 23 Jahre alt, gerade von Gladbach zu Dortmund gewechselt, für 17,5 Millionen Euro, was eine gewaltige Summe ist, die ihm aber in der Nationalelf bis zu diesem Freitag wenig geholfen hat. Reus saß 270 Minuten lang nur auf der Bank.
Beim 4:2 gegen Griechenland im Viertelfinale aber feierte der 23-Jährige Premiere, erster EM-Einsatz, rein für Thomas Müller, und dann spielte Marco Reus ungefähr so, als sei die Nationalelf Gladbach und das Stadion in Danzig der Borussia-Park. Frech, frei, dominant.
Reus war eine Belebung, ein Passgeber. Er war ein genialer Assistent von Spielmacher Özil, der immer wieder rechts zu Reus rückte, weil zwei Spieler, die miteinander ansatzlose Doppelpässe spielen können, sich suchen.
Özil wurde auch deshalb zum „Spieler des Spiels gewählt“, weil Reus sein Partner war. Das würde der madrilenische Weltstar nie sagen, weil natürlich alle „tolle Spieler sind“, aber wahr ist es doch.
Reus sieht ein bisschen blass aus, ist von hagerer Statur, aber sein Spiel ist ein Versprechen auf eine große Karriere. Und dieser offensichtlich gut erzogene junge Mann steckt voller Selbstvertrauen. „Der Europameister-Titel geht nur über uns“, sagte Reus am Tag nach seinem großen Spiel.
So hatte sich bislang kaum einer nach vorne gewagt, das Adrenalin in ihm mag das begünstigt haben, aber Reus ist davon auch überzeugt. Schwer hatte er sich getan, als er nicht gefragt war, ruhig ist er trotzdem geblieben.
„Ich bin es gewohnt, gebraucht zu werden“, sagte er vor Tagen, als die Jungspunde Reus, André Schürrle und Mario Götze — allesamt echte Freunde — noch eine traurige Reisegruppe in Polen waren. Als er gebraucht wurde, war er da.
Allein seine Chancenverwertung ließ den Bundestrainer rasen, nur für den Moment, am Ende nahm er Reus dankbar in den Arm. Kurz zuvor hatte Reus den Ball beim 4:1 unter die griechische Latte gehämmert. Das Tor stand leer vor ihm da. Einfach ist eben nicht sein Ding.
„Woodyinho“ nennen ihn die Kollegen, in Anlehnung an die US-Zeichentrickfigur Woody Woodpecker, die tatsächlich Ähnlichkeiten mit Reus aufweist, auch ist er Fan von Ronaldinho, dem brasilianischen Fußballer, der Weltmeister war.
Reus ist lange nicht so weit. „Ich kann mich noch in etlichen Dingen verbessern“, sagte er. Was dann doch ziemlich brav war. Aber vielleicht wäre die Frisur ein guter Anfang.