Erdal Keser: „Herzblut, nicht Heuchelei“

Frankfurt/Main (dpa) - Der frühere Dortmunder Bundesliga-Profi Erdal Keser, aufgewachsen in Hagen/Westfalen, ist Europa-Beauftragter des Türkischen Fußball-Verbandes. Der 50-Jährige hat ein Büro in Köln.

25 Scouts sichten Talente von 15 Jahren aufwärts auf dem ganzen Kontinent - in der Hoffnung, dass sie eines Tages in der türkischen Nationalmannschaft spielen. Keser äußert sich vor dem Länderspiel am Freitag im Gespräch der Nachrichtenagentur dpa zum Ringen um Fußballer mit deutsch-türkischen Wurzeln.

Welche Rolle spielen die in Deutschland aufgewachsenen türkischen Nationalspieler?

Keser: „Nurin Sahin ist ja leider verletzt, aber diese Spieler sind seit den 80er Jahren wichtig für uns. Sie bereichern das Spiel unserer Mannschaft.“

Mesut Özil ist mittlerweile ein Star bei Real Madrid, hat sich aber längst für die deutsche Nationalmannschaft entschieden. Wird ihm das in der Türkei noch übelgenommen?

Keser: „Ne, bei uns ist jeder stolz auf den Jungen, auf einen türkischstämmiger Fußballer, der so eine Karriere macht. Aber natürlich kommt auch ein bisschen Wehmut auf, wenn er gegen uns spielt.“

Der Stuttgarter Innenverteidiger Serdar Tasci hat sich ebenfalls für die DFB-Auswahl entschieden, ist aber nicht mehr im Kader. Hat er aufs falsche Pferd gesetzt?

Keser: „Er ist ein Verlierer dieser Entwicklung. Auf dieser Position hätten wir ihn sehr gut gebrauchen können. Ich muss aber dazu sagen: Wir konkurrieren nicht mit dem DFB. Wir brauchen mehr von jenen Spielertypen, von denen der DFB im Moment genügend hat: Abwehrspieler mit Disziplin und Durchsetzungsvermögen.“

Aber die Verbände geben ihre Talente doch nicht freiwillig her? Momentan kämpfen sie um den Dortmunder Ilkay Gündogan.

Keser: „In meinen Augen ist die Entscheidung für die Türkei oder für Deutschland eine Herzensangelegenheit. Wenn einer nicht mit dem Herzen dabei ist, macht es keinen Sinn. Wenn er sich entscheidet, dann muss er dies mit Haut und Haaren tun. Die Nationalmannschaft hat mit nationaler Identität zu tun, mit Herzblut. Nicht mit Heuchelei.“

Also hat sich der Leverkusener Innenverteidiger Ömer Toprak, der letzte Woche bekanntgab, dass er künftig für die Türkei spielt, aus zweierlei Gründen richtig entschieden?

Keser: „Er hat sein Herz sprechen lassen, das ist mit Respekt zu behandeln. Wir hätten es aber genauso akzeptiert, wenn er weiter für Deutschland gespielt hätte.“

Wie viel Druck wird von den Verbänden ausgeübt?

Keser: „Der Spieler entscheidet, der Spieler zusammen mit seiner Familie. Da kann keiner Druck auf jemand aufbauen. Da haben auch die Clubs als Arbeitgeber keine Macht, auch die Manager nicht.“

Und finanzielle Anreize?

Keser: „Seitdem ich dabei bin, hat Geld niemals eine Rolle gespielt und wird auch keine spielen. Ich kann nur wiederholen: Das ist eine Herzensangelegenheit. Wenn Geld bei so einer Entscheidung eine Rolle spielt, dann Gute Nacht! Das will doch keiner haben.“