Bilbao träumt: Erst Pokal, dann Tattoo und Todessprung
Bukarest (dpa) - Athletic Bilbao stellt die moderne Fußball-Welt auf den Kopf: Mit bemerkenswerter Personalpolitik leistet der Traditionsverein, der nur Basken einsetzt und auf millionenschwere Transfers verzichtet, den anderen Topclubs schon seit Jahrzehnten heldenhaften Widerstand.
Im rein spanischen Europa-League-Finale am Mittwoch in Bukarest gegen Atlético Madrid mit dem Brasilianer Diego will der Außenseiter endlich den großen Coup schaffen. Der erste europäische Titel der 114-jährigen Clubgeschichte soll her. „Ich habe geträumt, ich schieße das Siegtor“, sagte Stürmer Iker Muniain.
Die Basken, die im Viertelfinale Schalke 04 ausgeschaltet hatten, setzen vor allem auf die Jugend und ein ungleiches Sturm-Duo: den 1,65 Meter kleinen Muniain (19) und den 1,95 Meter großen Fernando Llorente, mit seinen 27 Jahren fast schon ein Routinier. Muniain will sich im Erfolgsfall „den EL-Pokal tätowieren lassen, egal wo.“ Links-Verteidiger Jon Aurtenexte (20) kündigte an: „Wenn wir gewinnen, flippen alle aus. Ich wage den Todessprung mit dem Fallschirm.“
Soviel Besessenheit ist Bilbaos argentinischem Trainer Marcelo Bielsa (56) gerade recht. Bielsa wird selbst „El Loco“, der Verrückte genannt. Das Taktikgenie wird im vor acht Monaten eingeweihten Nationalstadion seine Wunschelf aufbieten können. Neben Llorente und Muniain werden auch der von Barcelona und Real Madrid umworbene Nationalelf-Innenverteidiger Javi Martínez (23) und Manchester Uniteds „Objekt der Begierde“, Spielmacher Spielmacher Óscar de Marcos (23), dabei sein. Auch Madrids Coach Diego Simeone hat bis auf den gesperrten Mittelfeldmann Tiago sein bestes Team zur Verfügung.
Die „Colchoneros“, die „Matratzenmacher“, die im Viertelfinale Hannover 96 aus dem Weg geräumt hatten, haben selbst Großes vor. Atlético will den Gewinn der Europa League von 2010 wiederholen - und das ohne einen einzigen der damaligen Stammspieler wiederholen. Stars wie „Kun“ Aguero und Diego Forlán sind weggezogen. Neben einem Diego in Topform und dem türkischen Nationalstürmer Arda Turan ragt bei Madrid heute der kolumbianische Stürmer Radamel Falcao heraus.
Der 26-Jährige, der letzte Saison den FC Porto mit 17 Treffern im Alleingang zum EL-Titel geschossen und dabei den 15 Jahre alten Torrekord von Jürgen Klinsmann gebrochen hatte, ist optimistisch. „Endspiele sind zum Gewinnen da“, sagte der „Tiger“, der mit zehn Toren die EL-Torschützenliste mit dem Schalker Klaas Jan Huntelaar anführt.
Nach einer langen Saison wird in Bukarest „der Kopf entscheidend sein“, erklärte Diego dem „kicker“. Madrid spielt am Wochenende in der Liga noch um den Einzug in die Champions League, der Liga-Neunte Bilbao hat noch das Pokalfinale gegen Barcelona auf dem Programm.
Für Atlético Madrid, das pikanterweise 1903 als „Filiale“ Bilbaos gegründet wurde, sprechen im Endspiel nicht nur Geld, Erfahrung und die EL-Serie von elf Siegen in Folge, sondern auch die Geschichte: Während es für die Basken nach der UEFA-Pokal-Finalpleite 1977 gegen Juventus erst das zweite Europa-Endspiel überhaupt ist, hat Madrid sechs Endspiele und drei Titel auf dem Konto.
Bilbaos Torhüter Gorka Iraizoz will sich mit Prophezeiungen nicht lange aufhalten. „Wir haben Gänsehaut“, sagte er. Die Atmosphäre in Bukarest war schon einen Tag vor dem Spiel gigantisch. Das Zentrum der rumänischen Hauptstadt glich einem rot-weißen Fahnenmeer. Die Fans beider Teams feierten Fiesta. 25 000 Spanier wollten - Krise hin, Schulden her - zum Finale reisen.