Hecking nach Wolfsburger Blamage knallhart: „Zu naiv“
Liverpool (dpa) - Der Ärger nach der Blamage hielt lange an. Schon während des Spiels trat Dieter Hecking wütend gegen eine Werbebande, Klaus Allofs schüttelte beim völlig verpatzten Europa-League-Comeback beim FC Everton immer wieder den Kopf.
Später schimpfte der Trainer des VfL Wolfsburg in den engen Räumen des Goodison Park mit hochrotem Kopf, dass sein Team während des 1:4 (0:2) am Donnerstag „zu naiv“ gewesen sei. Angesichts des Kaders „könnte man erwarten, dass diese Spieler cleverer sind“, polterte Hecking weiter. Der unverhohlene Ärger machte deutlich, dass der VfL bereits vor dem vierten Spiel der Fußball-Bundesliga gegen Leverkusen in einer Krise steckt. „Die Mannschaft ist gerade kein fröhlicher Haufen“, berichtete Hecking noch am Freitag.
Auch für den Coach war das Debakel in Liverpool desillusionierend. „Ich bin verärgert“, gab Hecking unumwunden zu: „Enttäuschung ist da nicht das richtige Wort.“ Ungewohnt deutlich kritisierte der VfL-Trainer seine Profis: „Ich frage mich, ob der ein oder andere zuhört.“ Mit Blick auf das Werksclub-Duell gegen Bayer forderte Hecking: „Dass wir anders auftreten müssen ist klar, und zwar in beiden Strafräumen.“
Der Elfte der englischen Premier League legte die Schwachstellen des Bundesligisten in der Defensive und in der Offensive offen, und er nutzte die Fehler sofort. Mit dem Tempo des FC Everton, der in der Offensive immer wieder blitzschnell umschaltete, kam der VfL überhaupt nicht zurecht. „Das hier ist Europa League, das haben wir nicht kapiert“, kommentierte Abwehrspieler Naldo: „Uns fehlt die Siegermentalität.“
Allerdings mangelt es dem VfL auch in der Bundesliga an Siegen. Gerade zwei Punkte stehen für das teure Team nach drei Spielen auf der Habenseite. Noch eine Niederlage gegen Bayer, dann ist der Fehlstart komplett. Auch der fast immer um Positives bemühte Manager Allofs redete nach der Vorführung in Liverpool Klartext. „Dass wir als deutscher Vertreter so aufgetreten sind, das tut mir weh“, erklärte Allofs und wirkte in den engen Kellergängen des alten Stadions erschrocken: „Ich hatte nicht den Eindruck, dass wir immer an die Grenzen gehen. Dafür muss man auch bereit sein.“
Wie schlecht die Stimmung auch im Team ist, zeigten die Äußerungen von Kevin De Bruyne, der vornehmlich die Abwehr für die deftige Niederlage verantwortlich machte. Er habe mit seinen Landsleuten beim FC Everton gesprochen, berichtete der Belgier: „Die haben gesagt, dass es gegen uns so einfach ist zu treffen. Die Räume zwischen den Verteidigern sind zu groß.“ So treffend die Beschreibung ist, so unüblich ist eine derart einseitige Schuldzuweisung.
Dennoch waren die VfL-Verantwortlichen am Freitag bemüht, nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen. „Ich sehe darin nichts verwerfliches, die Kritik darf man nicht falsch verstehen“, meinte Hecking und Allofs pflichtete ihm bei: „Ich finde das völlig in Ordnung. Wir dürfen die Fehler nicht totschweigen. Ich bin immer für eine gesunde Streitkultur“. Möglicherweise bekam De Bruyne im Mannschaftskreis in der Tat kontra. Worüber der für fast 20 Millionen Euro verpflichtete Mittelfeldspieler nämlich nicht sprach, waren die eigenen Versäumnisse. Gerade das mangelhafte Defensivverhalten des belgischen Nationalspielers wurde schonungslos offenbar. Das dürfte auch den Leverkusenern am Fernsehschirm nicht verborgen geblieben sein.