Italien und seine Problem-Arenen
Turin (dpa) - Eine moderne Fußball-Arena, von außen strahlend neu mit grün-weiß-rot angedeutetem Banner, perfekter Rasen, Sitzplätze bis an die Werbebanden hin: Malerisch ragt das schmucke Juventus Stadium im Norden von Turin heraus.
Im Hintergrund verzieren die noch leicht schneebedeckten Ausläufer der Alpen das Bild, das sich den Fans von Benfica Lissabon und dem FC Sevilla vor dem Europa-League-Finale bot. Die Arena ist Italiens einziger Lichtblick in punkto Fußball-Stadien. Im Rest der Republik dominieren eher marode Betonschüsseln das Bild und sind Symbole für die Talfahrt der einst führenden Fußball-Nation.
Michel Platini bringt es auf den Punkt. Als der UEFA-Präsident vor einem Monat den Europa-League-Pokal nach Turin brachte, wurde er gefragt, wie Italiens Vereine denn wieder an die europäische Spitze zurückkehren könnten. „Kümmert euch um die Stadien!“, antwortete er.
Die Rechnung des einstigen Juventus-Mittelfeldheroen ist einfach. „Wenn man mit großen Ländern mithalten will, braucht man bessere Stadien“, erklärte Platini der dpa am Mittwoch. „Dann kommen nämlich die Leute auch wieder zu den Spielen, man hat mehr Einnahmen und kann sich auch wieder die besten Spieler der Welt leisten.“
Sich Fußballspiele im Stadion und nicht vor dem Fernseher angucken? Den Italienern war in den vergangenen Jahren die heimische Couch lieber. In seinem jüngsten Bericht präsentierte der nationale Fußball-Verband FIGC im Vorjahr ernüchternde Zahlen: In der Saison 2011/12 besuchten im Schnitt nur 22 005 Zuschauer die Spiele der Serie A - die Stadien waren lediglich zu 55 Prozent ausgelastet. Zum Vergleich: Die Bundesliga-Vereine lockten im selben Zeitraum im Schnitt 45 191 Fans in die Arenen, welche zu 93 Prozent voll waren.
Kein Wunder also, dass den Clubs im Land des viermaligen Weltmeisters die Gelder aus dem Tagesgeschäft fehlen. Laut FIGC-Bericht nahmen die italienischen Erstligisten bei den Heimspielen weniger als die Hälfte dessen ein, was etwa die deutschen Bundesligisten scheffelten.
Dass die Stadien von Neapel über Florenz bis Mailand außer bei den absoluten Spitzenspielen kaum Anziehungskraft versprühen, liegt auch daran, dass sie vielfach alt und marode sind. Die Arenen der Erstligisten sind durchschnittlich mehr als 60 Jahre alt, viele wurden in den 30er Jahren von den Faschisten errichtet. Zur WM 1990 entschied man sich überwiegend zur Sanierung alter Spielstätten denn zum Neubau. Die jüngsten Stadien stehen in Turin: Das Olympiastadion des AC Turin und das „Juventus Stadium“ des Rekordmeisters - welches übrigens das einzige ist, das auch dem dort spielenden Verein gehört.
Die Zuschauer-Entwicklung bei Juve nach dem Neubau ist erstaunlich und bringt inzwischen längst auch andere Vereine zum Grübeln. Während das alte Delle-Alpi-Stadion, das schließlich für den schmucken Neubau platt gewalzt wurde, selbst bei Champions-League-Matches stets halbleer war, ist die neue, kleinere Arena beinahe immer voll.
Bescheidener ist besser: Nach dem Vorbild von Juve planen Clubs wie Rom, Florenz oder Udinese neue Stadien - die womöglich irgendwann auch ein Europa-League-Endspiel ausrichten könnten. Rund 40 000 Plätze und eine moderne Infrastruktur verlangt die UEFA - seit das Finale auf neutralem Boden ausgetragen wird, machte der Verband einen Bogen um Italien. „Solche Arenen zu finden ist in Europa einfach“, sagte Platini, „aber in Italien gibt es aktuell eben nur Turin.“