Fortuna Düsseldorf So will Robert Schäfer Fortuna Düsseldorf umbauen
Der neue Vorstandsboss des Fußball-Zweitligisten Robert Schäfer über die neue Philosophie im Verein, alte Fehler und seinen Plan, die lokale Wirtschaft endlich wieder an den Verein heranzuführen.
Düsseldorf. Robert Schäfer kommt gut gelaunt zum Redaktionsbesuch. In der Fußball-Sommerpause findet der neue Fortuna-Boss nicht zur Ruhe. Gerade ist er zum ersten Mal Vater geworden. Und ganz nebenbei gilt es, den Fortuna-Zug auf neue Gleise zu stellen.
Herr Schäfer, 100 Tage sind für Sie fast rum, haben Sie sich eingelebt in Düsseldorf?
Robert Schäfer: Dass es neu ist, empfinde ich nicht mehr so. Die volle Betriebstemperatur ist erreicht, das ist auch notwendig. Hier ist Vieles gleich am Anfang passiert: Abstieg verhindert, Trainerentscheidungen, auch diejenige für das nächste Jahr. Jetzt der steht der Umbau des Kaders an.
Fühlen Sie sich im Verein gut unterstützt?
Schäfer: Sehr sogar. Auch aus dem Aufsichtsrat heraus. In einer guten Art und Weise, die ich so noch nicht kannte aus anderen Vereinen. Ein Aufsichtsrat, der Themen nur vorstellt, ohne eine Meinung mitzugeben — das habe ich so noch nicht erlebt. Genauso haben mir die Mitarbeiter sehr geholfen.
Die stete Kritik am Aufsichtsrat als zu sehr eingreifendes Organ in der Vergangenheit teilen Sie nicht?
Schäfer: Nein. Es ist eine sehr verlässliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Mir wird gesagt: Ihr entscheidet, es ist aber auch eure Verantwortung. Als helfende Hand sind wir da, ansonsten gilt für euch: Gas geben. Das empfinde ich als sehr angenehm.
Man hat den Eindruck, Ihnen ist großer Gestaltungsspielraum gegeben. Ist das Ihr Anspruch?
Schäfer: Ich habe einen hohen Einsatz, etwas zu verändern, wenn ich glaube, dass etwas verändert werden muss. Das ist schon so. Aber wenn ich sehe, dass das läuft, dann ziehe ich mich auch wieder raus.
Was wollen Sie bei Fortuna schaffen?
Schäfer: Mein erster Fokus ist darauf gerichtet, was wir schon geschafft haben.
Auch das dürfen Sie uns sagen.
Schäfer: Die alte Saison ist fünf Wochen her. Wir haben den Abstieg verhindert, wichtige, identifikationsstarke Spieler gebunden, eigene Talente in die erste Mannschaft integriert und die sportliche Abteilung neu aufgestellt. Erich Rutemöller als Sportvorstand zu gewinnen, ist für mich neben der Verlängerung von Friedhelm Funkel ein ganz wichtiger Schritt. Wegen ihm als Mensch, als Typ, der Fußball liebt und ein tolles Netzwerk hat. Mit dem man sich über Ideen, Konzepte und Kooperationen unterhalten kann - und der dann auch die Entscheidungsträger kennt, weil er sie vielleicht ausgebildet hat. Und: Wir sind beim Thema Scouting besser aufgestellt. Wir haben mit Uwe Klein jemanden gefunden, der sich nie mit großen Worten ausgezeichnet hat, sondern gute und ehrliche Arbeit für Fortuna gemacht hat.
Wie schnell kann Fortuna vom Netzwerk Rutemöllers profitieren?
Schäfer: Wenn ich sehe, in welche Märkte wir hineinschauen, dann sind wir da schon gut aufgestellt. Ich erwarte mir von Rutemöllers Netzwerk eher mittelfristige Hilfe. Wie reagieren wir auf globale Märkte? Wie reagieren wir auf Druck aus der ersten Liga, was unsere Talente angeht? Wie binden wir die? Wie sieht das neue Nachwuchsleistungszentrum inhaltlich aus?
Der Dortmunder Chefscout Sven Mislintat ist kein Thema mehr für die Zukunft?
Schäfer: Dortmund hat ja klar gemacht, dass Mislintat keine Freigabe bekommt. Er ist ein Guter. Aber er war immer einer von mehreren Kandidaten. Wir haben jetzt Rutemöller als Sportvorstand, damit ist das Thema geregelt.
Wie wird die neue Mannschaft gebaut?
Schäfer: Wir sind gerade dabei und kommen voran. Wir haben jetzt den Vertrag mit Sararer aufgelöst. Das heißt nicht, dass der Spieler schlecht ist, sondern dass es in unserer Konstellation nicht funktioniert hat. Wir brauchen eine identifikationsstarke Mannschaft. Möglich, dass wir da noch weitere Lösungen finden. Wir haben, unsere Jugendspieler eingerechnet, auch schon fünf Neue und mit Fink, Bellinghausen, aber auch Gartner und Schmitz Identifikationsspieler gehalten. Unser Gros steht. Wir sind auf dem Weg.
Auch auf anderen Gebieten?
Schäfer: Beim Sponsoring kommen wir voran, unser Hauptsponsor Otelo hat sofort nach dem Klassenerhalt verlängert, wir werden bald mit weiteren Sponsoren verlängern. Man merkt, dass die Menschen hinter unserem Weg stehen. Und: Die Mitarbeiter haben bereits die ersten Vorschläge gemacht, wie wir unsere etwas aus dem Ruder gelaufenen Kosten verringern können.
Ist der Verein arm?
Schäfer: Wir hatten ein Polster aus der Erstligazeit, und dieses Polster ist mittlerweile aufgebraucht. Wir haben keine großen Rücklagen mehr, aber arm sind für mich Vereine, die verschuldet sind. Und das sind wir nicht. Wir müssen mit dem Geld, das wir haben, haushalten. Das gilt aber für jeden Zweitligisten — außer vielleicht den Erstliga-Absteigern.
Einen sogenannten Königstransfer wird es nicht geben?
Schäfer: Nein. Es gibt Spieler, die zu uns kommen und sich mit uns entwickeln wollen. So gesehen hoffen wir, dass sich alle Transfers positiv entwickeln. Wir sind am Anfang der Transferperiode. Wir werden sehen, was sich ergibt.
Die neue sportliche Führungsstruktur mit einem ehrenamtlich arbeitenden Sportvorstand ist außergewöhnlich — und aus der Not geboren?
Schäfer: Aus der Not im Sinne von finanziellen Zwängen sicher nicht. Die Ideen, die wir ansonsten hatten, waren ja auch hauptamtliche Lösungen. Ich bin wirklich überzeugt von dieser Lösung. Mit einem starken, mit Stimme vorschlagenden Scouting und einer Führung, die zuhört und das verantwortet. Natürlich hat die Budgetkontrolle auf meiner Seite Einfluss. Klar ist aber auch: Ich werde nie eine sportliche Entscheidung treffen.
Fortuna hat jahrelang viel Geld für wenig Zählbares ausgegeben.
Schäfer: Wenn ich sehe, was wir bislang für ein Budget hatten und was dabei rausgekommen ist, herrscht da ein Missverhältnis. Wenn ich sehe: Wie viel Aufwand hat der Verein betrieben, um eine Mannschaft zusammenzustellen, und wie viel Identifikation mit den Fans haben wir damit erreicht, dann haben wir wieder ein Missverhältnis. Die Schere ist in den vergangenen Jahren größer geworden. Der Mitteleinsatz aber auch. Da ist etwas diametral auseinandergelaufen. Jetzt müssen wir diese Entwicklung zurückdrehen.
Wie gelingt das?
Schäfer: Es ist wichtig, Spieler und Mitarbeiter zu finden, für die Fortuna Düsseldorf ein Schritt nach vorne ist. Aus irgendeinem Grund. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man fast immer belohnt wird, wenn sich ein Verein aufs Wesentliche konzentrieren musste und mit Mut junge Spieler eingesetzt hat. Ohne eine Statistik darüber zu haben, würde ich sagen, dass hat sich immer gelohnt und zu etwas Erfolgreichem geführt.
Auch die Fans haben mit Ihrer Fortuna gehadert.
Schäfer: Die Fans haben sich nicht mehr so repräsentiert gefühlt. Das wieder zusammenzuführen werden wir schaffen, indem die Fans sehen: Die machen wirklich das, was sie sagen. Keine Zauberei, keine falschen Versprechungen. Wir sagen den Fans: Ja, wir werden euch mit einbinden — da wo wir es können. Wir werden uns auch vor Euch stellen. Aber wir werden auch konsequent sein, wenn ihr gegen Regeln verstoßt. Wir machen aus der Fortuna keine Marketing-Agentur, sondern wir bleiben ein Mitglieder geführter Traditionsverein. Wir haben keinen Investor, und den wollen wir auch nicht. Die Mitglieder müssen das Gefühl haben, dass sie sich einbringen können. Da ist jeder herzlich eingeladen. Was nicht geht, ist Druck aufzubauen, um eigene Interessen durchzudrücken, die als angebliche Vereinsinteressen getarnt werden.
Sind Sie ein Machtmensch?
Schäfer: Ich möchte mich einbringen und gestalten. Wenn ich aber merke, dass das keine Mehrheit hat, dann ist das so. Es ist meine Aufgabe, mich dem zu fügen und Mehrheiten zu respektieren.
Haben Sie bei der Fortuna ein Kommunikationsproblem identifiziert?
Schäfer: Wir müssen mit einer Stimme sprechen. Ich denke, das klappt immer besser. Das heißt nicht, dass nur noch einer was sagen darf. Das, was wir sagen, sollte in eine Richtung gehen und abgestimmt sein. Das hat nichts mit Maulkörben zu tun. Alle sind davon überzeugt, dass das richtig ist. Wenn mal etwas unabgestimmt rausgeht, müssen wir aber auch nicht in Panik verfallen. Die Menschen und die Medien wollen ja auch, dass wir Inhalte liefern und farbenfroh sind. Wir werden da eine Balance finden.
Sie werden den Neuaufbau nur mit bescheidenerer Erwartungshaltung hinbekommen. Ist das realistisch?
Schäfer: Unser Ziel ist, dass wir nicht noch einmal so ein Jahr wie das vergangene erleben wollen. Wir wollen möglichst schnell mit unten nichts zu tun haben. Alles andere ist nicht realistisch.
Welche Rolle spielt dabei Friedhelm Funkel?
Schäfer: Viel hängt mit seinen Qualitäten zusammen, seiner Ruhe, seinem Mut, junge Spieler zu bringen. Wir sind sehr glücklich, dass wir uns mit ihm einigen konnten. Er ist menschlich angenehm, aber auch sehr ehrgeizig. Wenn es sein muss, setzt er auch unangenehme Dinge durch.
Sind Sie ein geduldiger Vereinschef, der Funkel auch in Krisenzeiten stärken wird?
Schäfer: Ja, weil ich glaube, dass der Weg Geduld braucht, den wir jetzt gehen. Da wird eine sehr junge Mannschaft auf dem Platz stehen. Das müssen wir uns auch noch einige Male sagen. Ich habe in der Vergangenheit Trainern den Rücken gestärkt, ich werde auch Funkel den Rücken stärken.
Sie waren zuvor bei Drittligist Dynamo Dresden tätig. Ist die Situation vergleichbar?
Schäfer: Das Thema Aufbau ist hier vielleicht ein bisschen sanfter. In Dresden ist in kurzer Zeit nach dem Zweitliga-Abstieg viel gelungen. Meister, Aufstieg, Schulden abgebaut, Stadionkosten gesenkt, Nachwuchsleistungszentrum in die Wege geleitet und den Verein wieder in der Stadt verankert. Hier in Düsseldorf ist die Basis größer. Und das ergibt auch mehr Chancen.
Günter Netzer sprach einst vom „schlafenden Riesen“ Fortuna. Können Sie ihn mit der lokalen Wirtschaft stärken?
Schäfer: Fußball ist die Nummer 1-Plattform im deutschen Sport. Die Unternehmen in Düsseldorf würden von einer erfolgreichen Fortuna überdurchschnittlich profitieren. Das hat der Oberbürgermeister hier längst erkannt. Wir sind die einzige Stadt in Deutschland von der Größe und dem Potenzial her, die das noch nicht dauerhaft abgerufen hat. Wenn die Unternehmen einen Bruchteil ihrer Kommunikationsausgaben für Fortuna gäben — etwa für den Stadionnamen — wäre das quasi für sie risikolose Imagepflege am Standort. Die Unternehmen hier sind sehr erfolgreich und wissen, wie erfolgreiche Investments gehen. Dass Fortuna ein erfolgreiches Investment wäre, das liegt ja auf der Hand. Und: Man investiert ja, wenn es günstig ist.
Haben Sie einen Zeitplan für große Ziele?
Schäfer: Nein. Wir müssen durch ehrliche Arbeit zeigen, dass die Basis da ist. Darauf konzentrieren wir uns jetzt. Mainz zum Beispiel ist durch eine geschickte Transferpolitik groß geworden. Das ist bei uns — gelinde gesagt — sehr ausbaufähig. Wir versuchen jetzt in den Verträgen festzulegen, dass wir später profitieren, wenn transfermäßig etwas mit unseren Spielern passiert. Aber das Geschäft müssen wir aufbauen. Wenn ich den Blick nach England oder später China richte, dann ist das ein Topf, der neben dem TV-Geld immer wichtiger werden wird. Da müssen wir mit dabei sein.
Dann sollten auch Spieler wie Junioren-Nationalspieler Mika Hanraths nicht mehr gehen.
Schäfer: Vor allem nicht wegen hausgemachter Fehler. Wenn die Verzahnung zwischen Profis und Jugend besser gelaufen wäre, glaube ich nicht, dass Mika Hanraths uns verlassen hätte. Wir müssen das besser regeln und die Jugend und den Profibereich besser vernetzen. Der Wettbewerb ist hart genug. Wenn wir aus eigenen Fehlern Spieler verlieren, dann ist das doppelt ärgerlich. Wir wollen versuchen, Werte zu schaffen, auch über das eigene NLZ. Das wird immer schwieriger werden, weil Erstligisten junge Spieler fast nur noch ausleihen.
Nächste Woche wird der Spielplan der neuen Saison veröffentlicht. Ein Wunsch?
Schäfer: Ich fände es gut, mit einem Heimspiel zu starten. Der Gegner ist egal.