Angerer: „Krisenbewältigung“ nach WM-Achtelfinaleinzug
Winnipeg (dpa) - Nur Sekunden nach dem Schlusspfiff steckten DFB-Spielführerin Nadine Angerer und Stürmerin Celia Sasic die Köpfe zusammen und arbeiteten noch auf dem Kunstrasen konspirativ einen Plan zur „WM-Krisenbewältigung“ aus.
„Das Spiel kann man so nicht stehen lassen. Nun müssen wir älteren Spielerinnen uns etwas einfallen lassen“, erläuterte die 36 Jahre alte Torhüterin zum leichten Erstaunen der Zuhörer trotz des deutlichen 4:0 gegen Thailand.
Angerer redete sich sogar fast in Rage: „Man soll es nicht überbewerten. Aber es muss klar sein, dass man so wie heute nicht auftreten kann. Darüber muss man sprechen“, mahnte sie und ergänzte mit Blick auf das erste K.o.-Spiel am Samstag in Ottawa: „Nun kommen die starken Gegner, da muss die Einstellung stimmen. Wenn wir noch mal so spielen, scheiden wir aus.“
Allerdings war es nicht so, als hätten bärenstarke Thailänderinnen den Weltranglisten-Ersten in Winnipeg am Rande einer Niederlage gehabt. Oder es wäre der letztlich souveräne Vorrundensieg in der Gruppe B mit sieben Punkten und einem Torverhältnis von 15:1 zu irgendeinem Zeitpunkt ernsthaft in Gefahr geraten. Doch Angerer sagt sich offenbar „Wehret den Anfängen“ und schlägt in Sammer-Manier Alarm.
Auch Melanie Leupolz, die in der 24. Minute die 1:0-Führung erzielt hatte, wirkte irgendwie bedrückt, als sie sich mit der FIFA-Trophäe für die beste Spielerin auf der Pressekonferenz präsentierte: „Wir wissen, dass wir kein gutes Spiel gemacht haben. Die Konzentration ist das A und O im Abschluss. Und die hat gefehlt“, bemängelte die Mittelfeldspielerin von Bayern München.
Immerhin war es mit der Hereinnahme von Lena Petermann und Anja Mittag in der zweiten Hälfte gelungen, den thailändischen Zehner- Abwehrriegel dreimal zu knacken. So war es zumindest für die 21 Jahre alte Petermann ein schöner Tag. Die für den SC Freiburg in der Bundesliga stürmende Lehramtsstudentin (Sport und Englisch) freute sich zurecht über ihre ersten Tore im vierten A-Länderspiel, die sie als „WM-Joker“ per Kopf im Doppelpack (56./58.) erzielte.
Kanada scheint definitiv ein gutes Pflaster für die körperlich starke Petermann. Erst vor zehn Monaten schoss sie in Montreal die DFB-Juniorinnen mit dem 1:0 in der Verlängerung des U20-WM-Finals gegen Nigeria zum Titel. Sie sei mit einem „guten Gefühl“ ins Spiel gegangen, meinte Petermann später: „Die erste Hälfte war ja nicht so gut, da gab es nichts mehr zu verlieren.“
Auch die Bundestrainerin, die eine auf sieben Positionen geänderte und sehr junge Startelf aufgeboten hatte, sparte nicht mit Kritik. Gleichwohl war Silvia Neid in ihrer Analyse maßvoller. Unter dem Strich sei sie zufrieden mit der Vorrunde. „Wir haben sieben Punkte, sind Gruppen-Erster und im Achtelfinale“, stellte Neid fest. Sie bemängelte aber auch das langsame Spiel nach vorn und die fehlende Kaltschnäuzigkeit gegen den Weltranglisten-29.: „Fakt ist: Wenn man jetzt gegen starke Gegner spielt, bekommt man nicht so viele Chancen. Dann muss man die wenigen nutzen. Sonst kann man nach Hause fahren.“
Zunächst aber flog der DFB-Tross am Dienstagmorgen zurück nach Ottawa. Wer Samstag (22.00 Uhr MESZ) im ersten K.o.-Spiel der Gegner ist, entscheidet sich bis Mittwoch. Infrage kommt nur ein Vorrunden-Dritter aus den Gruppen A (Niederlande), C oder D mit den USA, Schweden, Nigeria und Australien. Für Neid steht auf jeden Fall fest: „Jetzt geht's erst richtig los!“
Vor zwei Jahren bei der EM in Schweden gab es nach dem mit 0:1 verlorenen dritten Gruppenspiel gegen starke Norwegerinnen eine vergleichbare Situation. Nach dem bedenklichen Auftritt setzten sich die Protagonisten zunächst ohne das Trainerduo zusammen und warfen sich in einer offenen Aussprache alles an den Kopf, was ihnen auf dem Herzen lag. Danach gewann die DFB-Elf den achten EM-Titel. Womöglich hoffen Angerer und Co., einen ähnlichen Gedanken- und Selbstreinigungsprozess in Gang setzen zu können.