Bei Bayern jubeln nur die Frauen
Köln (dpa) - Im Augenblick des Triumphs vergaß die am Kreuzband verletzte Julia Simic ihr Handicap. Nach dem 2:0-Erfolg des FC Bayern München gegen den Titelverteidiger 1. FFC Frankfurt warf die 22-Jährige ihre Krücken beiseite und stürzte sich übermütig in die Jubeltraube ihrer Teamkolleginnen.
Danach nahmen die stolzen und überglücklichen Bayern-Kickerinnen in weißen T-Shirts mit dem Aufdruck „Pokalsieger 2012“ erstmals in der Vereinsgeschichte den Cup in Empfang. „Wir haben ein Stück Geschichte geschrieben“, sagte Bayern-Trainer Thomas Wörle zum ersten Triumph der Bayern-Frauen im dritten Pokal-Finale nach 1988 und 1990. Spielführerin Kathrin Längert stellte begeistert fest: „Wir haben etwas ganz Besonderes geschafft. Man weiß nicht, ob man das im Leben noch einmal erleben kann.“
Während die Torhüterin und ihre Mitspielerinnen den elf Kilogramm schweren Silberpokal im Konfettiregen triumphierend in die Höhe stemmten, standen die Frankfurterinnen fassungslos daneben und schauten dem Jubel wehmütig zu. Dem Rekord-Pokalsieger droht nach dem Aus in der Meisterschaft nun eine Katastrophen-Saison ohne Titel.
Sollte das teure Starensemble um Fatmire Bajramaj am Donnerstag in München auch das Champions-League-Finale gegen Olympique Lyon verlieren, ist das „Horrorszenario“ perfekt. Die Nationalspielerin sorgte mit einer verschwiegenen Sprunggelenksverletzung für einen Eklat und wird den Hessen fehlen. Bei einer Computertomographie am Sonntag wurden bei Bajramaj eine Kapselzerrung und ein Gelenkerguss diagnostiziert. „Das ist tragisch für sie und traurig für den Verein“, sagte FFC-Manager Siegfried Dietrich.
Pure Freude herrschte beim Gegner. „Wir haben uns in die Geschichtsbücher eingetragen, das ist einfach überragend“, jubelte Katharina Baunach. Zu diesem Zeitpunkt ahnte sie wie Karl-Heinz Rummenigge noch nicht, dass ihre männlichen Kollegen in Berlin gegen Borussia Dortmund den historischen Doppel-Triumph verpassen würden.
„Wir sind unheimlich stolz auf diese Mannschaft. Sie hat Großartiges geleistet. In einem Finale, in dem sie krasser Außenseiter war, hat sie die Sensation geschafft“, schwärmte Rummenigge, dessen Freude später durch die 2:5-Pleite gegen den BVB mächtig getrübt wurde. Denn nichts wurde es mit dem ersten „Club-Double“ der deutschen Pokal-Geschichte.
Die kräftige „Watschn“ für die Männer kann die taktisch und kämpferisch reife Leistung des Wörle-Teams aber nicht schmälern. „Wir mussten gegen den FFC über uns hinauswachsen, das wussten wir. Wie die Mannschaft die Vorgaben von der ersten bis letzten Sekunde umgesetzt hat, ist sensationell“, analysierte der 30-jährige Trainer.
Als Nachfolger seines Vaters Günther Wörle gelang es dem früheren Zweitligaprofi von Kickers Offenbach und SpVgg Greuther Fürth, eine verschworene Gemeinschaft ohne Stars zu formen. „Uns zeichnet ein extremer Teamgeist aus“, bestätigt Längert das Erfolgsrezept. „Wir sind in der schwierigen Saison nie auseinandergefallen.“
Dabei standen die Bayern nach einer miserablen Hinrunde als Bundesliga-Vorletzte noch am Abgrund. Nicht zuletzt die Verpflichtung der beiden US-Girls Sarah Hagen und Nicole Cross verlieh dem Team neuen Elan. Beide hätten „mit ihrer typisch amerikanischen Lässigkeit und ihrem Selbstbewusstsein“ dazu beigetragen, „dass wir nach der Winterpause die Trendwende geschafft haben“, bestätigte Längert den Wert der „richtig guten Fußballerinnen und super Typen“.
Vor allem die 22-jährige Stürmerin Hagen erwies sich als Volltreffer. Mit 15 Jahren erkrankte sie an Gebärmutterhalskrebs, verlor durch die Chemotherapie ihre Haare, ihre Muskeln, aber nicht ihren Lebensmut. „Ich bin sicher noch stärker aus dieser schweren Krankheit hervorgegangen. Ich war immer positiv und habe gekämpft“, erzählte Hagen, die ihre Elf vor 15 678 Fans mit einem Kopfballtor (63.) auf die Siegerstraße brachte. Ivana Rudelic machte den Coup kurz nach ihrer Einwechslung mit dem 2:0 (90.+1) perfekt.