Der lange Weg: Vor 60 Jahren verbot der DFB Frauenfußball
Berlin (dpa) - Drei Minuten reichten Wim Thoelke aus, um zumindest in Sachen Frauen-Fußball als Chauvinist in die Geschichte einzugehen. „Nicht Tisch decken, Mann decken“, kommentierte der Moderator des ZDF-„Sportstudios“ 1970 ein Spiel der deutschen Fußballerinnen.
Die männlichen Zuschauer kritisierte Thoelke. „Die brauchen sich gar nicht aufzuregen. Die Frauen waschen ihre Trikots doch selber. Wenn die Männer in den Schlamm fallen würden, das wäre schlimm, dann müssten die Frauen zu Hause waschen“, erklärte er.
„Charakterlose, arme Schweine waren das“, sagt die ehemalige deutsche Meisterin Bärbel Wohlleben über jene Männer, die damals den Frauenfußball verspotteten. Wütend hätte sie das gemacht, erzählt Wohlleben, Torschützin im ersten Meisterschaftsfinale 1974. Und trotzdem musste die heute 71-Jährige froh sein, dass Frauenfußball überhaupt im Fernsehen zu sehen war. Denn der DFB hatte seinen Mitgliedern weibliche Teams eigentlich verboten. Vor 60 Jahren, am 30. Juli 1955, war das. Die Sperre hielt 15 Jahre lang.
Der Verband sorgte sich um die weibliche Anmut und Ästhetik. „Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zuschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand“, schrieben die Vorstandsherren.
Unterstützung gab es auch. Der Psychologe Fred Buytendijk befand in einer Studie 1953: „Das Treten ist wohl spezifisch männlich, ob darum Getretenwerden weiblich ist, lasse ich dahingestellt. Jedenfalls ist das Nicht-Treten weiblich.“ Am Ende fasste er zusammen: „Es ist noch nie gelungen, Frauen Fußball spielen zu lassen.“
Beleidigungen und Pöbeleien von Männern gehörten zum Alltag deutscher Fußballerinnen. Polizisten beendeten immer wieder gewaltsam Spiele. Die Frauen wurden bespuckt und auch geschlagen. Und trotzdem gab es immer noch Fußballerinnen, die auf den Platz liefen und spielen wollten. „Wir dachten, den zeigen wir es“, sagt Wohlleben, die damals beim TuS Wörrstadt in Rheinland-Pfalz spielte. Sie sagt aber auch: „Die Angriffe waren schon teilweise heftig und gingen unter die Gürtellinie.“
Ob aus echtem Interesse oder aus Schaulust - die Zuschauer kamen trotzdem zu den Spielen. Als eine deutsche Auswahl 1957 in München gegen die Niederlande spielte, sahen rund 17 000 Menschen zu. Der damalige Bürgermeister der bayerischen Landeshauptstadt, Thomas Wimmer, bekam daraufhin den Druck des DFB zu spüren. Weil Wimmer das Spiel erlaubt hatte, drohte ein Funktionär in einem Brief, ein solches Verhalten könne dem Verhältnis zwischen Stadt und DFB „nicht dienlich“ sein.
Doch auf Dauer fühlten sich nicht die Vereine und Spielerinnen unter Druck gesetzt, sondern der DFB selbst. Überall im Land machten sich Vereinsmanager auf die Suche nach weiblichen Fußballtalenten, erzählt Wohlleben. Beim DFB wuchs die Angst vor einem Konkurrenz-Verband.
Auch in den Medien schlug die Stimmung teilweise um. „Unästhetisch, nein, so wirkte das ganz und gar nicht, was die Mädels im Alter von 17 und 22 Jahren vorführten“, schrieb das Fachmagazin „Kicker“ über ein Spiel.
Dass der DFB das Frauenfußball-Verbot nach 15 Jahren tatsächlich kippte, hörte Wohlleben erst am Tag der Entscheidung. Sie gehörte zur nationalen Auswahl und stand kurz vor einem Länderspiel gegen Italien, als ihr ein Reporter davon erzählte. „Ein tolles Gefühl“, sagt sie. Am 30. Oktober 1970 wurde die Entscheidung offiziell umgesetzt.
Schon zwei Jahre nach dem Okay des DFB gab es fast 1800 Frauen-Fußballteams. 1974 fand die erste offizielle deutsche Meisterschaft statt. Bärbel Wohlleben traf im Finale für den TuS Wörrstadt gegen Eintracht Gelsenkirchen-Erle zum 3:0. Die Zuschauer der ARD-„Sportschau“ wählten den Schuss zum „Tor des Monats“.
„Der Weg bis da war mühsam“, erinnert sich Wohlleben. Und teilweise sei er das auch heute noch. 2013 zeigte das ZDF einen Werbespot für die Frauenfußball-EM. In den Hauptrollen: Eine Frau und eine Waschmaschine.