Das ist selten zu hören. Lobeshymnen, die von München nach Hamburg wehen. „Es ist natürlich ein wichtiger und richtiger Schritt. Gerade jetzt vom HSV“, sagte Bayerns Top-Fußballerin Giulia Gwinn jüngst, als sie nach der Rekordkulisse gefragt wurde, die Hamburgs Zweitliga-Kickerinnen bald aufstellen werden. 57.000 Fans erwartet der HSV am 23. März im Volkspark zum Pokal-Halbfinale gegen Werder Bremen - während es in München nach Dorffußball riecht.
Für gerade mal 2.500 Zuschauer ist der FC Bayern Campus konzipiert, wo am Freitag (16.55 Uhr/Magentasport und DAZN) der eigentliche Klassiker im deutschen Fußball der Frauen ansteht: Der Meister empfängt den Tabellendritten VfL Wolfsburg, beide Teams trennen gerade mal drei Punkte. Das größtmögliche Spiel vor kleinstmöglicher Kulisse - und das beim Weltclub FC Bayern, warum eigentlich?
„Wir denken auch über alternative Spielstätten in der Stadt nach. Es ist kein einfaches Thema, welches kurzfristig zu lösen ist. Die Thematik begleitet uns und wir diskutieren weiter über zukünftige Optionen“, sagte Bayerns Frauenfußball-Direktorin Bianca Rech in einem Interview des „Kicker“. Das war vor eineinhalb Jahren. Gesucht wird immer noch.
Stadionkapazität ist „ein Wachstumshemmnis“
Ein Campus-Ausbau, wie vom Club mal erwogen, scheitert an baurechtlichen Hürden. Wenige Parkplätze, kein Bahnanschluss, ein Naherholungsgebiet. Für mehr als 2.500 Fans sei die Umgebung nicht ausgelegt, teilte das Münchner Sportamt auf dpa-Anfrage mit.
Das größere Problem hinter dem kleinen Campus erklärt Sportökonomin Jessica Stommel von der Agentur Sportfive: „Frauenfußball ist der am schnellsten wachsende Sport weltweit.“ Bis 2030 sei ein Wachstum von 300 Prozent prognostiziert, die Stadionkapazität am Campus daher „ein Wachstumshemmnis, gerade wenn man sieht, was für ein Logo dahintersteckt, welche Erfolge das Frauenteam feiert und wo der Verein hin möchte“.
Die Arena? Verbunden mit hohen Fixkosten
Fest steht: In die 75.000 Fans fassende Allianz Arena möchte der Club die Fußballerinnen eher nicht schicken. Deutlich über 20.000 Vollzahler wären nötig, um die Fixkosten zu decken. Erst viermal spielten die Bayern-Frauen deshalb in der Arena, zuletzt im Oktober 2023. Die Zuschauerzahlen überzeugten die Bosse offenbar nicht: 13.000, 19.000, 20.000 und 24.000.
Stadion an der Grünwalder Straße? Auch schwierig
Andere Standorte haben ebenfalls ihre Tücken. Das Olympiastadion steht wegen Umbauarbeiten erst zur Saison 2028/2029 wieder zur Verfügung. Und im Stadion an der Grünwalder Straße, wo die Bayern-Fußballerinnen bis zu ihrem Umzug an den Campus zwischen 2013 und 2019 spielten, ist neben der zweiten Männermannschaft vor allem der TSV 1860 beheimatet.
Pro Saison sind in dem für 15.000 Fans ausgelegten Stadion nur 50 Spiele erlaubt. Würden die Fußballerinnen einziehen und alle Heimspiele inklusive Europa- und DFB-Pokal dort bestreiten, müsste Bayern II ausziehen. Aber: Das Grünwalder wäre wegen UEFA-Vorgaben für Europapokal-Spiele wohl ungeeignet.
Schwabl: „Signale positiv“ aus Unterhaching
Auch der Sportpark in Unterhaching müsste für europäische Nächte vermutlich aufgehübscht werden. Bei Noch-Drittligist SpVgg Unterhaching wäre man gesprächsbereit. „Wir haben ein sehr gutes, freundschaftliches Verhältnis“, sagte Präsident Manfred Schwabl, ein früherer Bayern-Spieler. „Die Protagonisten kennen sich.“ Im Nachwuchs kooperieren beide Clubs seit Dezember ohnehin schon. „Wenn der FCB Not hat …“, sagte Schwabl, „die Signale sind positiv“.
Schwabls Priorität ist derzeit aber eine andere: Die SpVgg will den kompletten Sportpark für 7,56 Millionen Euro selbst erwerben, bis zum 30. Juni gibt es die Option. Die Endverhandlungen laufen, in den nächsten sechs bis acht Wochen soll eine Entscheidung fallen. Schwabl, dessen Club im Juli die 100-Jahr-Feier begeht, sagte: „Das wäre für uns eine tolle Sache.“ Und vielleicht auch für die Bayern-Fußballerinnen.
Klar ist: Die Zeit für eine praktikable Lösung drängt, bis Ende des Jahres will der DFB zusammen mit den Clubs die Liga voranbringen, wie Präsident Bernd Neuendorf am Sonntag bei Magentasport sagte. Wachstum, verbesserte Strukturen, Professionalisierung, lauteten seine Schlagworte.
Neuendorf sprach darüber passenderweise am Rande des Bayern-Spiels in Köln-Müngersdorf. Dort bildeten über 35.000 Fans eine „superschöne Kulisse“, wie Gwinn fand. Und auch diesen Hinweis gestattete sie sich: „Wir freuen uns immer, in den großen Stadien zu spielen.“
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