Löw verteidigt Neid - Fronten zwischen verhärtet
Frankfurt/Main (dpa) - Als Silvia Neid nach der WM-Rückkehr der DFB-Frauen in die Heimat von der prominenten Fürsprache durch Weltmeister-Coach Joachim Löw erfuhr, huschte ein Lächeln über ihr müdes Gesicht.
Schon vor der wegen eines Maschinendefekts um drei Stunden verspäteten Landung des DFB-Trosses hatte sich Löw in der hitzigen Debatte um die Zukunft des deutschen Frauen-Fußballs auf die Seite der Bundestrainerin geschlagen. „Was in der Öffentlichkeit vom einen oder anderen Trainerkollegen gesagt wurde, ist einfach mieser Stil - vor allem die Art und Weise. Kritik unter Kollegen sollte man direkt mit den beteiligten Trainern besprechen. So haben wir es beim DFB immer gehalten“, polterte Löw in der „Bild“-Zeitung.
Neid nutzte diese Steilvorlage und erteilte der Forderung der Kritiker nach einer schnellen Aufarbeitung des unbefriedigenden WM-Abschneidens eine Absage. „Ich mache jetzt erst einmal Urlaub, den habe ich mir verdient. Mit der WM-Analyse lasse ich mir Zeit. Ich weiß ja, was wir verbessern müssen“, sagte sie nach der Ankunft des WM-Vierten in Frankfurt.
Die Kritik aus der Bundesliga am Auftritt ihrer Mannschaft bei der Endrunde in Kanada wies Neid erneut zurück. „Wir gehören zu den vier besten Mannschaften der Welt und haben uns für Olympia qualifiziert. Ich bin total zufrieden mit dem Erreichten“, sagte die 51-Jährige.
Schon nach der ernüchternden 0:1-Niederlage gegen England im Spiel um Platz drei hatte Neid zurückgekeilt. Ihren Vorwurf, die Spielerinnen seien „in einem katastrophalen Zustand“ zur WM gekommen, ließen die Bundesligavertreter allerdings nicht auf sich sitzen.
„Der angebliche katastrophale körperliche Zustand trifft auf meine drei Spielerinnen nicht zu“, widersprach Turbine Potsdams Trainer Bernd Schröder der Bundestrainerin. Er warf Neid mangelnde Kritikfähigkeit vor. „Der unter Druck geratene Hund sitzt in der Ecke und fängt an zu bellen. Ich kann doch nicht einfach pauschal zurückschlagen“, meinte der 72-Jährige: „Jeder muss auch mal den Wert einer Kritik beachten.“
Auch Siegfried Dietrich, Manager des Champions-League-Siegers 1. FFC Frankfurt, reagierte verwundert. „Es ist ein bisschen irritierend, dass Silvia Neid den katastrophalen Zustand der Spielerinnen erst nach den zwei Niederlagen erwähnt hat. Zumal sie das Team zuvor nach den Spielen gegen Norwegen und Schweden noch für seine gute Verfassung und Leistung gelobt hatte“, sagte Dietrich der Deutschen Presse-Agentur. „Das sind pauschale und zu undifferenzierte Vorwürfe, die man so aus Vereinssicht nicht stehen lassen kann, zumal die Saisonbelastungen ja nicht für alle Spielerinnen gleich waren.“
Es gibt also erhöhten Redebedarf. Zumal Bundesligatrainer wie Frankfurts Colin Bell, Wolfsburgs Ralf Kellermann und Schröder bei der WM einige Defizite im deutschen Spiel ausgemacht hatten. „Alle müssen so sachlich wie möglich bleiben, und die sportlich Verantwortlichen sollten sich so schnell wie möglich an einen Tisch zusammensetzen“, forderte Dietrich.
Der Ruf verhallte jedoch ungehört. Auch seine Erwartung, „dass die hochgeschlagenen Wellen wieder abebben und eine konstruktive Zusammenarbeit stattfindet“, könnte ein frommer Wunsch bleiben. „Die Bundesligatrainer können sich ja zusammensetzen“, sagte Neid patzig.
Immerhin relativierte sie ihre Kritik an der mangelnden Fitness der Spielerinnen dahingehend, dass dafür nicht die Vereine, sondern der Terminplan der FIFA und des WM-Ausrichters verantwortlich seien. „Man muss den Spielerinnen nach einer Liga-Saison mehr Zeit zur Erholung geben“, meinte sie. „Aber das liegt nicht in unserer Hand.“
Trotz der Misstöne zum Abschluss habe sie ihre letzte Weltmeisterschaft „total genossen“. Nach den Sommerspielen 2016 in Rio gibt Neid ihr Amt an Steffi Jones ab. Einen vorzeitigen Abschied schloss sie aus. „Ich habe viel erreicht und weiß, dass ich eine gute Trainerin bin“, sagte Neid. „Ich freue mich wahnsinnig auf das letzte Jahr und Olympia.“