Nordkorea auf Kuschelkurs gegen Turbine Potsdam
Deetz (dpa) - Turbine Potsdam testet gegen Nordkorea: Die Ansetzung lässt aufhorchen. Unnahbar vermutete Parteikader in Fußballschuhen aus einem der letzten kommunistischen Länder der Welt kommen auf Stippvisite und geben sich nach außen aufgeschlossen und auf Völkerverständigung bedacht.
Schauplatz für diese äußerst seltene Begegnung ist das 1000-Seelen-Dorf Deetz im Havelland. Das Spiel endet 2:2.
„Das gute Miteinander und der Sport stehen im Vordergrund. Die Nordkoreanerinnen sind derzeit in Europa unterwegs, um internationale Erfahrungen zu sammeln. Eine Agentur hat das Ganze gemanagt“, erklärte Turbine-Coach Bernd Schröder. Für ihn ist die Partie ein Test auf Augenhöhe und weniger Show. „Bisher hatten wir in der Vorbereitung auf die neue Bundesliga-Saison nur gegen Männer gespielt. Nordkorea ist ein Gegner, um unsere aktuelle Position zu bestimmen“, sagte der Coach.
Ein Muster mit Wert also, weil auch der amtierende deutsche Meister, VfL Wolfsburg, gegen das Team der vielen Kims einen Test gewagt und einen 1:0-Sieg vor knapp einer Woche geholt hat.
Das Testspiel entwickelt sich für den Deutschen Vizemeister zur harten Bewährungsprobe. Die aktuelle Nummer acht der Fifa-Weltrangliste fordert Turbine alles ab. Die Schröder-Elf startet vor knapp 1000 Besuchern bei Volksfest-Atmosphäre sehr agil und markiert durch Jennifer Cramer (7.) das 1:0. Alles jubelt. Nordkorea zieht sein Kurzpassspiel auf, gleicht durch Choe Mi Gyong (17.) aus und erzielt durch Spielführerin Ra Un Sim (58.) sogar den Führungstreffer - betretene Stille. Erst wenige Minuten vor Spielende gelingt Potsdam durch Antonia Göransson (82.) das 2:2.
„Nordkorea ist nun mal nicht irgendwer. Da war es doch klar, dass wir dem Asien-Cup-Sieger nicht fünf Dinger einschenken können“, betonte Coach Schröder.
Der 71-Jährige lässt durchblicken, dass er seine Fühler auch hinter dem Eisernen Vorhang hat, als er plötzlich auf eine nordkoreanische Spielerin mit der Rückennummer sechs losstürmt und sie heftig umarmt. „Die Sechs“, heißt eigentlich Kim Un Hyang, „war 2009 bei uns im Probetraining. Wir haben sie damals nicht genommen, weil sie mit 16 noch ein bisschen zu jung war“, erklärte Schröder.
Die Zeit der Herzlichkeiten ist noch nicht vorüber: Die Nummer sechs bekommt vor versammelter Mannschaft einen dicken Blumenstrauß, sie feiert 20. Geburtstag. Kim Un Hyang verbeugt sich. Ein Dutzend nordkoreanischer Aufpasser mit einem Abbild des nordkoreanischen Staatschefs Kim Jong Un am Revers haben sie von der kleinen Tribüne genau im Visier.
Danach folgen Autogrammstunde der kompletten nordkoreanischen Nationalmannschaft, ein gemeinsames Mannschaftsfoto mit Turbine Potsdam und ein gemeinsames Abendessen. Fragen nach der internationalen Zukunft lassen die nordkoreanischen Verantwortlichen unbeantwortet. Nur eins ist klar: Bei der WM 2015 sind sie nicht dabei. Sie sind wegen Dopingvergehen gesperrt. Deshalb ist die ganze Mannschaft ausgetauscht und durch Nachwuchstalente ersetzt worden.
Sie kamen gut an. „Die Nordkoreaner sind so nett. Das ganze Dorf ist von ihnen angetan“, sagte Dennie Rufflett vom Ausrichter FC Deetz.