Verbände wie zahnlose Tiger 222 Millionen trotz Financial Fairplay?

Frankfurt/Main (dpa) - Würde sich der Fußball an seine eigenen Regeln halten, dürfte es einen Transfer-Sommer wie diesen gar nicht geben. Eigentlich darf ein Verein nicht mehr Geld ausgeben, als er einnimmt.

Foto: dpa

Eigentlich dürfen auch zwei Clubs aus ein und demselben Konzern nicht in einem Europacup-Wettbewerb starten. Und eigentlich ist es auch verboten, dass Investoren oder gar Fonds an Spielertransfers verdienen. All das ist in den Regeln des Weltverbands FIFA oder des europäischen Verbands UEFA so festgeschrieben.

Die Realität in diesem Sommer ist kurz vor dem Schließen des Transferfensters am Donnerstag aber: Paris Saint-Germain zahlt für nur einen einzigen Fußballer 222 Millionen Euro. RB Leipzig und RB Salzburg erhalten beide die Erlaubnis für die Champions League. Wie passt das zusammen? Wie lassen sich der Neymar-Transfer nach Paris und das sogenannte „Financial Fairplay“ der UEFA noch vereinbaren? Müssten die Verbände nicht endlich aufhören, „uns und auch die Fans für dumm zu verkaufen?“, wie Borussia Mönchengladbachs Sportchef Max Eberl in der TV-Sendung „Sky 90“ wetterte?

Der Rechtsanwalt Joachim Rain ist der Transfermarkts-Experte in der Kanzlei des führenden deutschen Sportjuristen Christoph Schickhardt in Ludwigsburg. Er sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Der Neymar-Transfer ist sicher der Fall, bei dem das Financial Fairplay auf den Prüfstand kommt.“ Bei dem sich zeigen wird, wie ernst es die Verbände mit ihren eigenen Regeln meinen. Oder wie einfach es für die Vereine weiterhin sein wird, diese Regeln zu umgehen.

„Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Transfers wie der von Neymar und das Financial Fairplay noch kompatibel sind“, sagte Rain. „Das Financial Fairplay verlangt, dass Transferausgaben durch fußball- spezifische Einnahmen gedeckt werden, also durch Transfereinnahmen, Eintrittskarten-Verkäufe, Sponsoren-Verträge et cetera. Deshalb liegt die Vermutung sehr nahe, dass sich ein 222-Millionen-Transfer allein durch solche Einnahmen nicht refinanzieren lässt - selbst wenn man die Vorstellung zugrunde legen sollte, dass ganz Paris auf einmal in Neymar-Trikots zum Preis von 80 Euro pro Stück herumläuft.“

Der Anwalt hält das Financial Fairplay für eine gute Idee, die bislang noch nicht konsequent genug umgesetzt wurde. „Ich denke immer noch, dass es ein ernsthafter Plan war und ist“, sagte Rain. „Aber natürlich ist es für die UEFA aus politischen Gründen schwierig, zu sagen: Wir schmeißen Vereine wie PSG, den AC Mailand oder Manchester City aus dem Europacup. Darunter würden die Attraktivität des Wettbewerbs und am Ende auch der eigene Geldbeutel leiden.“

Das große Versäumnis der großen Verbände ist: Sie haben bislang noch keine Regel ohne Hintertür erlassen. Das Financial Fairplay etwa erlaubt es jedem Club, eine Transferausgabe mit der Vertragslaufzeit des Spielers zu verrechnen. In der Bilanz von Paris Saint-Germain schlägt der Neymar-Transfer also nicht mit 222 Millionen Euro zu Buche, sondern mit fünfmal 44,4 Millionen auf mehrere Jahre verteilt.

Im Fall der Red-Bull-Clubs aus Leipzig und Salzburg passte vor allem der österreichische Meister so lange seine Strukturen an, bis beide das Startrecht für die Champions League erhielten. Nach einem Bericht der „Welt“ war am Ende aber vor allem entscheidend, dass die UEFA nur den „übermäßigen“ Einfluss eines Konzerns auf zwei Vereine verbietet. Näher definiert ist der Begriff „übermäßig“ in den Regularien nicht.

Eine solche Schwammigkeit ist bei der FIFA und der UEFA Programm. Entsprechend lesen sich auch die jüngsten Aussagen des UEFA-Chefs Aleksander Ceferin. „Wir arbeiten am Financial Fairplay“, sagte der Slowene in einem „Kicker“-Interview und fügte an die Adresse der europäischen Spitzenclubs hinzu: „Ich hoffe, sie haben es gelernt. Wenn nicht, bringen wir es ihnen bei. Damit meine ich nicht nur PSG, sondern alle. Wir beobachten die Lage. Das Transferfenster ist noch nicht geschlossen. Glauben Sie mir: Wir arbeiten daran.“

Nur: Woran die UEFA arbeitet und ob das Financial Fairplay eventuell verschärft wird - dazu sagte Ceferin nichts.

Ähnlich sieht es auch mit der sogenannten „Third Party Ownership“ aus, der Beteiligung von dritten Personen wie Investoren an den Transferrechten von Fußballern. Die FIFA verbot diese Praxis im Jahr 2015, sicherte laufenden Vereinbarungen aber einen Bestandsschutz zu. Im vergangenen Jahr wurde Englands Nationaltrainer Sam Allardyce entlassen, weil er verdeckten Reportern ausführliche Tipps gab, wie leicht man die entsprechenden FIFA-Regeln umgehen könne.

Nach Einschätzung von Joachim Rain können nur die Verbände selbst die Auswüchse des modernen Fußballs beschränken. Alle anderen Forderungen seien unrealistisch. Das gilt auch für die Idee von Ceferin und Bayern-Präsident Karl-Heinz Rummenigge, dass am Ende die Europäische Union in irgendeiner Form regulierend eingreifen möge. „Nicht alle Mitgliedsstaaten der UEFA sind auch Mitglieder der EU“, sagte Rain dazu. „Gerade einige der großen und zahlungskräftigen Länder wie Russland oder bald auch England unterliegen gar nicht ihrem Recht.“