Amerikas Fußballhoffnung „Jörgen Klinsmänn“
Boston (dpa) - Jürgen Klinsmann legt los. Am Montag wird er in New York offiziell als neuer US-Nationalcoach vorgestellt. Mit seiner Verpflichtung verbindet Amerika die große Hoffnung, endlich auch im Soccer Weltspitze zu werden.
Kicken in der Karibik: Jürgen Klinsmanns neues Kapitel als amerikanischer Nationaltrainer hat noch gar nicht begonnen und klingt dennoch bereits wie Urlaub. Antigua, Curacao oder die Amerikanischen Jungferninseln könnten in der Qualifikation zur WM 2014 in Brasilien die Gegner von Klinsmanns US-Boys werden. Das ergab die Auslosung in Rio de Janeiro. Der ehemalige Bundestrainer, der am 1. August offiziell in New York vorgestellt wird, steigt mit seinem US-Team im Juni 2012 in die Qualifikation des Kontinentalverbandes CONCACAF ein. Derzeit steht als Gruppengegner nur Jamaika fest, zwei weitere Teams werden bis November ermittelt. „Klinsmann wird an Orte kommen, an denen er wahrscheinlich noch nicht war, und das wird auch eine interessante Herausforderung für ihn“, meinte Ex-Nationalspieler und ESPN-Experte Alexi Lalas.
Am 29. Juli wurde Klinsmann vom US-Fußball-Verband als Nachfolger des tags zuvor entlassenen Bob Bradley ernannt. „Ich fühle mich stolz und geehrt, zum Nationaltrainer ernannt worden zu sein“, sagte der seit Samstag 47-Jährige in einer Verbandserklärung. Amerika hofft, in „Jörgen Klinsmänn“ seinen Fußball-Heilsbringer gefunden zu haben. In fast allen bedeutenden Sportarten sind die Amerikaner Weltspitze - der deutsche Sonny Boy und Wahl-Kalifornier soll die kriselnden US-Teams auch im Soccer auf die Sonnenseite führen. Einer seiner größten Fans ist fest davon überzeugt. „Mein Kumpel Klinsi trainiert das US-Team - wie findet ihr das“, twitterte Basketball-Superstar Dirk Nowitzki. „Ich denke, es passt für beide Seiten.“
Ähnlich zuversichtlich ist Eric Wynalda. „Sein größter Vorteil ist, dass er die Amerikaner besser versteht, als jeder andere ausländische Coach es jemals könnte. Er ist der perfekte Griff“, meinte der Ex-Nationalspieler und Bundesliga-Profi. „Ich freue mich für Jürgen, dass er eine neue Herausforderung gefunden hat und wünsche ihm viel Erfolg. Wie wir Jürgen kennen, wird er mit Power an die Aufgabe herangehen und viel bewegen“, sagte Bundestrainer Joachim Löw, der einst als Klinsmann-Assistent arbeitete, in einer Mitteilung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB).
„Jürgen Klinsmann kann den US-Fußball nach vorn bringen, wenn er freie Hand bekommt“, titelte die „Los Angeles Times“, „Klinsmann bekommt die Schlüssel für den US-Fußball ausgehändigt“, schrieb die „Sports Illustrated“. 2006 und 2010 war der Weltmeister von 1990 bereits als US-Coach im Gespräch, damals wollte ihm Verbandsboss Sunil Gulati jedoch nicht die geforderten „weitreichenden Befugnisse“ einräumen. Jetzt hingegen gab Gulati klein bei und betonte, Klinsmann habe „die Erfahrung und das Wissen, um unser Programm voranzubringen“. Und das ist dringend notwendig. In der Weltrangliste stehen die Amerikaner nur an Position 30. „Die US-Spieler müssen viel härter angetrieben werden, von Trainern, Fans, Medien, wenn sie sich verbessern wollen“, hatte Klinsmann bereits in der Vergangenheit als jahrelanger Beobachter der amerikanischen Soccer-Szene erkannt.
Ähnlich wie bei seinem zweijährigen Engagement als Bundestrainer von 2004 bis zum Ende der Weltmeisterschaft 2006 hat sich der Schwabe weitreichende Kompetenzen zusichern lassen. So wird er entscheiden, wer die vakanten Trainerposten der U 23-Olympiamannschaft und der U 20 übernimmt. Generell wird erwartet, dass der 47-Jährige die alles andere als modernen Strukturen, wie zum Beispiel das Scouting-System, im riesigen Flächenland reformiert. Auch das Umfeld der deutschen Nationalelf hatte der frühere Torjäger umgekrempelt und den Betreuerstab enorm professionalisiert. So zog er unter anderem Oliver Bierhoff als Teammanager, einen Psychologen und US-Fitnesstrainer hinzu. Sein einstiger Assistent und Nachfolger Löw hat diese Konzeption fortgeführt.
Klinsmann will seine „Philosophie des angriffsorientieren Fußballs“ einführen, betont jedoch, dass man Zeit brauche, diesen Stil in Gang zu bringen, und das richtige Umfeld, das einem diese Zeit zugestehe. Am 10. August gibt er im Testspiel in Philadelphia gegen Erzrivale Mexiko sein Debüt. Anschließend bleiben ihm rund zehn Monate, um bis zum Beginn der WM-Qualifikation an Team und Taktik zu arbeiten. Das Ticket zur WM 2014 sollte Klinsmann kaum Kopfzerbrechen bereiten. Seit 1990 sind die USA Stammgast beim globalen Highlight. Dem CONCACAF-Verband sind drei WM-Startplätze garantiert, mit Mexiko gibt es seit Jahren nur einen ernsthaften Gegner.