Barça sucht Tito-Ersatz - Heynckes im Gespräch
Barcelona (dpa) - Der Schock über den Rückfall und den Rücktritt des krebskranken Trainers Tito Vilanova war beim FC Barcelona noch gar nicht verdaut, da richteten sich die Blicke des spanischen Fußball-Meisters bereits nach Deutschland.
Nicht nur die in Barcelona erscheinende Zeitung „Sport“ war am Samstag davon überzeugt, dass die Katalanen bei ihrer Suche nach einem Nachfolger am liebsten Jupp Heynckes aus dem frischen Rentnerdasein reißen wollen. So soll der unerwartete Schlamassel im Starensemble von Lionel Messi, Neymar, Xavi & Co. nur einen knappen Monat vor Beginn der La Liga gelöst werden.
Den Namen des neuen Trainers will Clubboss Sandro Rosell möglichst schon vor dem ersten Testspiel Barças an diesem Mittwoch bei Bayern München bekanntgeben. Ausgerechnet Heynckes, der mit den Bayern vorige Saison das historische Triple gewann und Messis Elf mit einem 7:0-Gesamtergebnis im Halbfinale aus der Champions League warf, könnte dann auf der Bank des Gästeteams Platz nehmen. „Sport“ erklärt seinen Lesern, warum der 68-Jährige der heißeste Anwärter sein soll: „Er hat Charakter, viel Erfahrung, spricht Spanisch, hat in Spanien Real Madrid trainiert und zum Meister gemacht. Und hat keinen Club.“
Auf dem rapide in Fahrt kommenden Kandidaten-Karussell geht es aber sehr eng zu. Nach den zahlreichen Medien-Spekulationen gelten neben Heynckes die Spanier Luis Enrique und Ernesto Valverde als größte Favoriten. Die beiden haben zwar erst in diesem Sommer ihre neuen Jobs bei Celta de Vigo und Athletic Bilbao angetreten, würden der Verlockung aber kaum widerstehen können, heißt es.
Viele setzen dagegen auf Gerardo „Tata“ Martino, der vor ein paar Wochen Messis Heimatclub Newell's Old Boys in Argentinien zum Meistertitel führte. Auch ein Comeback des jüngst von Saudi-Arabien gefeuerten Frank Rijkaard gilt als möglich. Der Niederländer gewann mit Barcelona bereits zwei Liga-Titel und die Champions League 2005/2006. Zudem werden unter anderen Rijkaards Landsmann Ronaldo Koeman, der dänische Swansea-City-Coach Michael Laudrup und der spanische Ex-Nationaltrainer Luis Aragonés als Kandidaten gehandelt.
Assistenztrainer Jordi Roura, der im Winter während der Vilanova-Behandlung in New York das Ruder für zwei Monate übernommen hatte, und dem neuen Co-Trainer Francesc Ferrer werden inzwischen keine Chancen mehr eingeräumt. Ein Gestandener soll her.
Der neue Trainer wird es auf jeden Fall nicht leicht haben. „Das Team wird größte Mühe haben, sich von diesem neuen harten Schlag zu erholen“, fürchtet die Sportzeitung „Mundo Deportivo“, so etwas wie ein Hausblatt des FC Barcelona. Als Vilanova seinen Schützlingen am Freitag in der Kabine die Hiobsbotschaft übermittelte, sollen bei den Spielern viele Tränen geflossen sein. Als dann Clubboss Rosell am Freitagabend auf der Pressekonferenz die Nachricht vorlas, blickten etwa Weltfußballer Messi und Kapitän Carles Puyol mit verschränkten Armen bestürzt gen Boden.
„Die jüngsten Untersuchungen haben diese Woche ergeben, dass die nötige Behandlung von nun an mit der Ausübung einer Trainertätigkeit unvereinbar ist“, hatte Rosell erklärt. Das Leben gehe aber weiter, man werde auch diesen Rückschlag überstehen, beteuerte er.
Vilanova selbst äußerte sich öffentlich am Samstagabend mit einem emotionalen offenen Brief und dankte Barcelona für „fünf wundervolle Jahre“. „Es ist der Moment gekommen, dass sich mein professionelles Leben verändert und dass ich meine Energie und Anstrengungen der Behandlung der Krankheit widme“, schrieb er in der Veröffentlichung auf der Internetseite des Clubs. Die Ärzte hätten ihm erklärt, dass die Behandlung nicht vereinbar mit den „Verantwortlichkeiten eines Trainers der ersten Mannschaft“ sei. Er könne allerdings für den Verein, den er liebe, in anderer Rolle weiter arbeiten. Details nannte Vilanova nicht.
Das für Samstag angesetzte Testspiel bei Legia Danzig wurde ebenso wie die zweite Freitags-Trainingseinheit abgesagt. Die Spieler haben bis Montag frei bekommen. Es gab unterdessen eine Welle der Solidarität. Sogar Minister der spanischen Regierung und Barças Erzrivale Real Madrid übermittelten Vilanova ihre Solidarität.
Beim Nachfolger des neuen Bayern-Trainers Josep Guardiola war Ende 2012 ein Krebsleiden an der Ohrspeicheldrüse neu ausgebrochen. Nach einem ersten Eingriff im November 2011 musste der frühere Co-Trainer deshalb am 20. Dezember zum zweiten Mal operiert werden. Danach führte er Barça in der Primera Division zum Meistertitel. Nun wird sein Leben nicht mehr von Taktik und Toren, sondern vom Kampf gegen den Krebs bestimmt werden. „Viel Kraft, Tito, wir sind in diesem Kampf alle bei Dir“, schrieb Messi auf Facebook.
Nachdem sich Vilanova jüngst beklagt hatte, von Guardiola während der langwierigen Krebsbehandlung in New York alleingelassen worden zu sein, äußerte sich der Münchner Coach geschockt über den erneuten Rückfall. „Mir fällt es schwer, auf deutsch darüber zu reden“, sagte Guardiola am Rande des Telekom Cups sichtlich bewegt. Und fügte schließlich nach einer Pause hinzu: „Ich liebe ihn. Ich wünsche ihm und seiner Familie jetzt ganz viel Kraft.“