„Big G“ Tremmel empfängt Manchester United

Swansea (dpa) - Gerhard Tremmel lebt gerade seinen Kindheitstraum. Mit 34 Jahren steht der langjährige Keeper von Energie Cottbus in der Premier League zwischen den Pfosten von Swansea City.

Und mit seinen „Schwänen“ hat er mal eben an der Liverpooler Anfield Road gewonnen, im Emirates Stadium den FC Arsenal düpiert - am Sonntag will er keine geringeren als Manchester Uniteds Superstars Wayne Rooney und Robin van Persie stoppen. „Es ist immer toll, gegen so talentierte Spieler und so große Vereine anzutreten“, sagt „Big G“ im Interview der Nachrichtenagentur dpa bescheiden. So nennen sie den 1,90-Meter-Mann in Wales - oder schlicht: „German“.

Tremmel zeigt richtig starke Leitungen, seit sich Stammtorwart Michel Vorm Ende Oktober an der Leiste verletzt hat. Der Oberbayer genießt „jeden Moment“ seiner „tollsten Karrierezeit“, wie er selbst sagt. Er ist ein Fußballprofi, mit dem man sich ehrlich mitfreut, weil er so völlig bodenständig daherkommt. „Können Sie in 15 Minuten nochmal anrufen? Ich koche gerade“, sagt er zum verabredeten Interviewtermin - ganz selbstverständlich hat er seine Handynummer und seine E-Mail-Adresse herausgegeben. Über die Arbeit mit dem namhaften Trainer Michael Laudrup meint er: „Ich finde es grundsätzlich super, ihn auch als Persönlichkeit kennenzulernen - solche Sport-Größen kriegt man ja nicht allzu häufig zu Gesicht.“

Tremmel passt mit seiner Art zu Swansea City, dem urig familiären Club, der als Einlaufsong das rebellische „Thunderstruck“ von AC/DC durch die Boxen des Liberty Stadiums donnern lässt und der im zweiten Jahr der Ligazugehörigkeit noch ein Idyll ist in der kommerzwütigen Premier League. „Ja, der Verein hat eine eigene Note. Man weiß um seine Außenseiterrolle“, erklärt Tremmel. Die ganze Region, abgesehen von Cardiff, sei extrem stolz, dass ein walisischer Verein in der Premier League spielt - und das auch noch erfolgreich. „Dieses ganze Drumherum - diese unglaubliche Freundlichkeit und Leidenschaft der Leute - ist etwas ganz Besonderes“, findet Tremmel.

Besonders ist auch, dass Swansea für kurzpassspiel-orientierten, sehr technischen Fußball steht - deshalb der Spitzname „Swansealona“. In der Vorsaison witzelten Fans bereits: „Der FC Barcelona ist das Swansea City Spaniens.“ Derweil spielt eine kleine spanische Armada um Topscorer Michu in Wales. Golf-Star Sergio García schaute jüngst vorbei und bekannte: „Ich bin Fan von Real Madrid und von den Schwänen.“ Garcías Schwester ist mit Pablo Hernández im Team liiert.

Tremmels Frau macht derzeit ihr Jura-Staatsexamen in Berlin. Die zwei sehen sich alle 14 Tage. Doch wer meint, der gebürtige Münchner wolle nach der touristisch attraktiven Station RB Salzburg aus Wales am liebsten Reißaus nehmen, irrt. „Wales kommt sehr schlecht weg in ganz Europa. Aber es ist toll, landschaftlich unglaublich schön“, sagt Tremmel, der mit den Bradley-Wiggins-Koteletten und dem roten Haar glatt als Brite durchgeht. Swansea, zweitgrößte Stadt in Wales, liegt direkt an der Südküste. Tremmel sieht vom Balkon aus das Meer. Das Klischee „Wales = Schafe“ stimme indes: „Die sieht man hier überall. Das haben wir jetzt erst wieder im Liga-Cup in Middlesbrough zu spüren bekommen. Da gab's Frotzel-Gesänge über unsere Schafe.“

„The Swans“ zeigten Humor und zogen unbeirrt ins Halbfinale ein. Zuvor hatten Tremmel und Co im Liga-Pokal in Liverpool gewonnen („Das kann mir keiner mehr nehmen“). Nach dem 2:0 bei Arsenal hatte der Deutsche zwischenzeitlich die beste Quote aller Premier-League-Keeper (88 Prozent gehaltene Schüsse laut Opta). Dann kamen zwei Dämpfer für den Tabellenzehnten (3:4 gegen Norwich und 0:1 gegen Tottenham), aber wieso sollte „Swansealona“ nicht der Coup gegen Spitzenreiter und Rekordmeister United gelingen? Und Stammtorwart Vorm muss bei seiner zu Weihnachten angepeilten Rückkehr erstmal an „Big G“ vorbei.