Confed Cup Bizarre Show: Putin und Infantino lassen Spieler tänzeln
St. Petersburg (dpa) - Als die Fußball-Welt voll Vorfreude auf den Start zum Confederations Cup wartete, kam erst einmal: Wladimir Putin. Und dann auch noch Gianni Infantino.
Mit ihren bizarren Auftritten kurz vor dem Beginn des Eröffnungsspiels haben die Präsidenten Russlands und der FIFA ihren Kritikern neue Argumente geliefert. Nicht der Fußball zählt, sondern die Politik.
„Hier, in modernen Fußballstadien wird es harten, ehrlichen, fairen Kampf geben bis zur letzten Minute des Spiels“, sagte Putin in seiner Ansprache vor der Partie des Gastgebers gegen Neuseeland von der Ehrentribüne des Krestowski Stadions in St. Petersburg aus.
Der Confed Cup werde „Nationen und Kontinente vereinen, um die Werte des fairen und schönen Spiels zu fördern“, fügte er unter dem großen Jubel seiner Landsleute an. Nicht viel weniger Applaus bekam Infantino für seine freundlichen Worte. Auf Russisch vorgetragen dankte er allen vier Spielorten und winkte anschließend etwas linkisch mit den Fingern wackelnd in die Kameras.
Die Botschaft, die rüber kam, war klar: Der erste Applaus gehört nicht den Sportlern, sondern den Funktionären. Überraschend war dabei nicht die Tatsache, dass die Würdenträger zum Fußball-Volk sprachen, sondern der Zeitpunkt. Die Spieler standen schon zum Abspielen der Hymnen bereit auf dem Rasen, mussten minutenlang warten, tänzelten umher und versuchten die Muskeln locker zu halten.
Infantino hatte seinen Wahlspruch, den Fußball nach den Skandaljahren unter seinem Vorgänger Joseph Blatter wieder in den Mittelpunkt zu stellen, gleich zum Auftakt des ersten großen Turniers unter seiner Führung ad absurdum geführt. Statt kurz vor dem Anpfiff hätten die Reden auch während der 08/15-Eröffnungsfeier mit einem Streifzug von Tanz und Musik durch die russische Geschichte zwei Stunden vor dem Spiel gehalten werden können. Doch da war das rund 750 Millionen Euro teure und am Eröffnungstag für den öffentlichen Verkehr weiträumig abgesperrte Krestowski Stadion nicht einmal halbgefüllt.
Putin und Infantino wollten offenbar die große Bühne - inklusive TV-Publikum in 183 Ländern. Schon bei Winter-Olympia 2014 in Sotschi war dem russischen Staatschef der Hang zur Selbstinszenierung vorgeworfen worden. Aber Infantino? Der selbsterklärte große FIFA-Reformer gibt im ersten der zwei russischen Fußball-Sommern ein undurchsichtiges Bild ab. Zur ersten von drei Fragerunden während des Turniers schickte er seine Generalsekretärin Fatma Samoura. Das wurde ihm von der internationalen Presse als Kneifen ausgelegt.
Vor der Partie zwischen Portugal und Mexiko in Kasan tauchte er dann plötzlich an der Seite von Chef-Organisator Alexej Sorokin im Medienzentrum auf. Ein schnelles Foto mit Kolumbiens Legende Carlos Valderrama. Zwei Antworten zum Turnierstart („viel Enthusiasmus, viel Freude bei allen Menschen hier in Russland“) und auf die Frage, ob es der letzte Confed Cup ist („Wir konzentrieren uns heute auf diesen Cup“). Und dann ging es schon weiter.
Die tatsächliche FIFA-Haltung zu Russland-kritischen Themen wie Menschen- und Arbeitsrechten, demokratischer Vielfalt und Meinungsfreiheit bleibt vorerst allenfalls im Vagen. Infantino hatte auf alle Fälle viel Spaß beim Eröffnungsspiel und wurde mehrfach gut gelaunt mit Putin auf der Ehrentribüne fotografiert. Die Kraft der Bilder kann auch Russlands Staatschef bestens einschätzen - inklusive Halbzeit-Talk mit der aus Brasilien eingeflogenen Fußball-Ikone Pelé.
Und was sagten die Sportler zu der Präsidenten-Show? Russlands Trainer Stanislaw Tschertschessow muss im Spannungsfeld zwischen Sport und Politik seit Tagen diplomatisch geschickte Antworten finden. „Wenn der Präsident kommt und eine Rede hält, ist das eine große Motivation für uns und ein Vorteil, aber auch eine Verantwortung“, sagte der frühere Nationaltorwart. Neuseelands englischer Trainer Anthony Hudson, vor dem Spiel über den Ablauf informiert, lieferte unfreiwillig eine doppeldeutige Antwort, die dauerhafte Gültigkeit für die großen Fußball-Turniere in Russland haben könnte: „Wir wussten ja, was uns erwartet.“