Meister mit Lokomotive Deutscher Fußballmanager Stoffelshaus erfolgreich in Moskau
Moskau (dpa) - Der momentan erfolgreichste Deutsche im russischen Fußball nippt an seinem grünen Tee und schaut nach draußen. Durch das Fenster des Cafés im Zentrum Moskaus sind feiernde WM-Gäste zu sehen, ihre Gesänge übertönen sogar den dröhnenden Autoverkehr.
„Man merkt, dass die Weltmeisterschaft in Russland angekommen ist“, sagt Erik Stoffelshaus. Seine Augen glänzen. „Das Turnier nimmt alle mit.“
Stoffelshaus ist der zweite Deutsche, der russischer Fußballmeister wurde. Als erstem gelang dies im vergangenen Jahr Ex-Nationalspieler Serdar Tasci mit Spartak Moskau. Nun errang Stoffelshaus vor wenigen Wochen den begehrten Titel - als erster deutscher Manager. Dabei arbeitet der gebürtige Mülheimer erst seit Anfang 2017 als Sportdirektor beim Traditionsclub Lokomotive Moskau. „Wir sind als Underdog in die Saison gestartet“, sagt der 47-Jährige, „der erste Meistertitel seit 14 Jahren hat überragenden Stellenwert“.
An den Moment, in dem der überraschende Anruf aus Moskau kam, erinnert sich Stoffelshaus genau. „Ich stand in unserer Wohnung in Toronto in der Küche neben meiner Frau“, schildert er. Loko-Präsident Ilja Gerkus war früher Finanzchef von Zenit St. Petersburg und kannte den Deutschen von der Zusammenarbeit mit dem FC Schalke 04. Dort war Stoffelshaus elf Jahre lang in unterschiedlichen Positionen tätig, bevor er nach Kanada ging.
„Ich bin nach dem Anruf nach Moskau geflogen, um mir einen eigenen Eindruck zu verschaffen. Und obwohl die Stadt im Dezember 2016 fest in winterlicher Hand war, machte sie einen sehr guten Eindruck. Als ich alles vor Ort sah, musste ich nicht mehr so lange überlegen.“ Als die Familie dem Umzug zustimmte, war der Weg frei. „Die Familie dabei zu haben, war für mich von Beginn an enorm wichtig. Mein Sohn geht in den Kindergarten, und meine Frau unterstützt mich in alltäglichen Dingen. Ansonsten ist das ganz normaler Alltag einer Familie.“
Stoffelshaus begann im Januar 2017, nur vier Monate später wurde Loko Pokalsieger. „Mit dem Ticket nach Europa war es leichter, Spieler zu verpflichten“, erzählt der Sportdirektor. Schlüsselspieler war der Ex-Schalker Jefferson Farfan. Der Peruaner hatte seinen Vertrag bei Al-Jazira gerade aufgelöst. „Er war ablösefrei — das war wichtig, weil wir nicht viel Geld hatten. Jeff hat viele wichtige Tore geschossen - und im entscheidenden Spiel über die Meisterschaft hat er kurz vor Schluss den siegbringenden Angriff eingeleitet.“
Meister - dieser Begriff ist für den langjährigen Gelsenkirchener immer noch traumatisch. „Die Last-Minute-Meisterschaft der Bayern 2001 habe ich in der Knappenschmiede erlebt, und 2006, als wir den großen Vorsprung noch verspielten, bin ich als Team-Manager in den Lizenzspielerbereich aufgerückt.“ Als der Titel für Lokomotive feststand, habe er „unter die ganze Geschichte einen Haken“ gemacht.
„Der ganze Ballast war mit einem Mal weg. Es war zwar nicht die Deutsche Meisterschaft. Aber es war eine Meisterschaft.“ Und das trotz starker Konkurrenz reicher Clubs wie Zenit St. Petersburg.
Und wie ist das Leben in Moskau? „Ich kann jedem nur empfehlen, sich das selbst anzusehen“, sagt Stoffelshaus. Besucher seien regelmäßig begeistert von der größten Stadt Europas mit rund zwölf Millionen Einwohnern. Zur Arbeit fahre er oft mit der Metro. „Mit Kevin Kuranyi, den ich von Schalke kenne, habe ich erst nach meinem Umzug gesprochen. Er ist ja ähnlich begeistert von der Stadt“, sagt er über den früheren Stürmer, der fünf Jahre lang bei Dynamo Moskau spielte.
Die WM tue Russland gut, meint Stoffelshaus. „Vor dem Turnier war die Stimmung neutral bis skeptisch, weil der russischen Mannschaft 2018 kein einziger Sieg gelungen war. Jetzt, mit der Teilnahme am Viertelfinale, hat sich das geändert. Die Leute fiebern längst mit und sind begeistert.“ Lokomotive stellte sechs Spieler für die WM ab, darunter Farfan bei Peru und die Mirantschuk-Zwillinge bei Russland.
Apropos Lokomotive: In der Champions League ist Russlands Meister gesetzt und könnte auf Schalke 04 treffen. Traum - oder Alptraum? Stoffelshaus lacht. „Das wäre doch toll! Ich hatte elf super Jahre auf Schalke, da würde ich mich über ein Wiedersehen sehr freuen.“