Die hässliche Seite des türkischen Fußballs

Ankara (dpa) - Der Prozessauftakt im Betrugsskandal der Süper Lig stand erst wenige Stunden fest - dann verabschiedete das türkische Parlament ein Gesetz, das die Höchststrafe von Fußball-Wettbetrügern drastisch reduziert.

Statt zwölf Jahren Gefängnis haben die Beschuldigten im schlimmsten Fall nur noch drei Jahre zu fürchten. Das Timing des Parlaments: Zufall oder Kalkül? Immerhin ist es jene Manipulationsaffäre, die die türkische erste Liga tief erschütterte. 93 Manager, Spieler und Trainer mehrerer Clubs müssen sich am 14. Februar im kommenden Jahr vor Gericht verantworten. Doch die Diskussion um die Bestrafung reißt nicht ab.

Staatspräsident Abdullah Gül habe einer entsprechenden Gesetzesänderung, die er zunächst mit einem Veto blockiert hatte, zugestimmt, berichtete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu. In dem Manipulationsskandal in der Süper Lig wurden in der vergangenen Saison mindestens 19 Partien verschoben, darunter auch das wichtige Spiel von Fenerbahce Istanbul gegen Sivasspor, in dem Fenerbahce am letzten Spieltag den Titel holte.

Seit einiger Zeit ist ein Streit in der Türkei entbrannt, wie stark die Wettbetrüger bestraft werden sollen. Dem neuen Gesetz hatten vor allem die zwei größten Oppositionsparteien CHP und MHP zugestimmt. Als Grund für die Gesetzesänderung nennt der Moderator von Fernsehsportprogrammen, Bagis Erten, die „Angst vor Verlusten von Wählerstimmen“. Fenerbahce könne nicht einfach ignoriert werden, sagt Erten der Nachrichtenagentur dpa.

Die Profi-Clubs hätten einen „großen Einfluss“ auf die türkische Gesellschaft, sagt Erten weiter. „Wenn dieser Skandal kleinere Clubs betreffen würde, kann ich ihnen versichern, dass es keine Gesetzesänderung gegeben hätte“, meint er. Vor allem sieht Erten mit Spannung einem Statement der Europäischen Fußball-Union UEFA zur Bestrafung in der Betrugsaffäre entgegen: „Die Position der UEFA wird die Zukunft des türkischen Fußballs bestimmen.“

In den vergangenen Monaten hat die Polizei Dutzende Manager, Spieler und Trainer mehrerer Clubs festgenommen. Sie sollen den Ausgang etlicher Spiele mit großen Geldbeträgen manipuliert haben. Drei der größten Clubs, Fenerbahce, Besiktas und Trabzonspor, sind betroffen. Etwa 30 Beschuldigte wurden in Untersuchungshaft behalten, darunter auch Fenerbahce-Chef Aziz Yildirim.

Die 400 Seiten lange Anklageschrift liest sich teilweise wie ein Krimi: So soll Yildirim angeblich 345 000 Euro bezahlt haben, um den Spieler Gokdeniz Karadeniz für Fenerbahce zu kaufen - und das obwohl Karadeniz nie für den Club gespielt hat. Das wirft die Frage auf, warum so viel Geld bezahlt wurde. Der Anklage zufolge wurde der ominöse Deal von einem zweiten Mann eingefädelt, dem mafiöse Machenschaften nachgesagt werden.

Nach dem alten Gesetz wurde Yildirims Gefängnisstrafe im schlimmsten Fall auf 156 Jahre geschätzt - sollte er in allen Anklagepunkten verurteilt werden. Mit dem neuen Gesetz könnte seine Strafe um 81 Jahre reduziert werden, titelte die Tageszeitung „Hürriyet“.