Ein Jahr vor der EM - Probleme plagen die Ukraine

Kiew (dpa) - Politisches Gerangel um Geld und Einfluss sowie Verzögerungen und Kostenexplosion: Ein Jahr vor der Fußball-Europameisterschaft 2012 plagen Co-Gastgeber Ukraine große Sorgen.

Doch Vizeregierungschef Boris Kolesnikow gibt sich optimistisch: „Die Projekte sind zu 75 bis 85 Prozent fertig.“ Für das Prestigeprojekt gilt das nicht: Die Arbeiten am Olympiastadion in Kiew, in dem am 1. Juli 2012 der Ball im EM-Finale rollen soll, sind weit im Verzug. Eigentlich sollte die Arena am 24. August 2011 eröffnet werden. Doch Kolesnikow räumt ein, dass der Termin kaum zu halten ist. Im Gespräch ist nun der Oktober. Es könnte aber auch November werden. Rückenwind kam von der UEFA, die sich wegen der EM-Baumaßnahmen in den Gastgeberländern Polen und Ukraine nicht beunruhigt zeigte.

Medien prangern zudem eine immense Kostenexplosion an. Zur Verdreifachung trägt wohl vor allem die weit verbreitete Korruption in der hoch verschuldeten Ex-Sowjetrepublik bei. Rechnete 2008 die damalige Regierung in Kiew noch mit insgesamt drei Milliarden Euro, wird das Turnier den ukrainischen Steuerzahler jetzt zehn Milliarden Euro kosten. Allein das Stadion in Kiew schlägt mit etwa 400 Millionen zu Buche. Zum Vergleich: Die Baukosten für die moderne Allianz-Arena in München betrugen 2005 rund 340 Millionen.

An einem anderen Spielort, im ostukrainischen Donezk, sind wiederum die Kosten für den Flughafen außer Kontrolle geraten: Statt mit 333 Millionen Euro wird nun mit rund 500 Millionen gerechnet. Angesichts der horrenden Ausgaben macht sich bei vielen Ukrainern Frust breit. Kolesnikow macht die Vorgängerregierung für die Probleme verantwortlich: „Wir haben Chaos geerbt und mussten schnell handeln.“

Mehrmals drohte die Europäische Fußball-Union UEFA der Ukraine mit dem Entzug der Co-Gastgeberrolle. Neben den Problemfällen Kiew und Donezk stehen die Zeichen auch in Lwiw und Charkow nicht viel besser: Es hapert an der Infrastruktur. So kämpft schon an normalen Tagen die Hauptstadt mit Dauerstaus und überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln. Wenn während des Turniers wie geplant 150 000 bis 200 000 Touristen pro Tag Kiew besuchen, droht Chaos.

In der Ukraine sind bisher kaum Hotels im mittleren und unteren Preissegment entstanden. Hier sollen Fans aus der Ukraine und aus Russland in Studentenunterkünften übernachten. Sie stammen noch aus der Ära des sowjetischen Kremlchefs Leonid Breschnew.

In Charkow und Lwiw gibt es zudem große Versäumnisse beim Straßenbau. Vor allem in der Westukraine scheint von den versprochenen Geldern nichts angekommen zu sein. Doch Turnierdirektor Markijan Lubkiwski zeigt sich gelassen: „Die Menschen finden immer ein Haar in der Suppe. Wir haben eben nicht nur Freunde.“

Einer der Partner der EM-Organisatoren in Kiew ist das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Die Behörde helfe den ukrainischen Spielorten, „die Nachhaltigkeit der Investitionen zu sichern“, heißt es in einer Mitteilung. In einer aktuellen Umfrage im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) meinten drei Viertel der Ukrainer, dass die EURO 2012 die Entwicklung ihres Landes positiv beeinflussen wird. Allerdings sagte jeder Vierte auch, dass sich die hohen Kosten für das Turnier wohl nicht auszahlen werden.

Im Co-Gastgeberland Polen übte sich der UEFA-Generalsekretär Gianni Infantino in Optimismus. Er räumte zwar ein, dass sowohl in der Ukraine als auch in Polen „noch viel zu tun“ sei. „Aber wir haben absolut keinen Zweifel: Polen wird bereit sein, die Ukraine wird bereit sein“, sagte Infantino in Warschau. Selbst wenn eine Autobahn nicht komplett fertig oder ein Stadion etwas später als geplant eröffnet werde, „beunruhigt uns das nicht“.