Ein Leben auf dem Fußballplatz: Parreira wird 70
Rio de Janeiro (dpa) - Kaum ein Trainer trat so oft mit unterschiedlichen Nationalteams bei Fußball-Weltmeisterschaften an. Der Brasilianer Parreira war in sechs Ländern Chefcoach und das gleich mehrmals.
Seine Trainerbiografie weist über 20 Stationen auf.
Als Carlos Alberto Parreira bei der WM 2010 mit der südafrikanischen Gastgebermannschaft „Bafana, Bafana“ in der Vorrunde ausschied, war für ihn die internationale Trainer-Karriere vorbei. Er wolle nicht mehr weitermachen, sagte der Coach damals bei seinem Rücktritt, ließ aber eine Hintertür offen: „Wenn, dann werde ich nur noch Trainer in Brasilien.“ Zum Top-Job bei der Seleção reichte es nicht ganz. Aber Parreira, der am 27. Februar 70 Jahre alt wird, ist seit November zweiter Mann neben dem neuen Cheftrainer „Felipão“ Scolari.
Scolari hatte seine Unterschrift unter den Trainer-Vertrag davon abhängig gemacht, ob Parreira als Koordinator mit ins Boot genommen wird. Die beiden sind ein „Weltmeister-Duo“ - Parreira machte 1994 den vierten WM-Titel für Brasilen klar und Scolari holte 2002 Titel Nummer fünf. Beiden sollen den nationalen Traum erfüllen und Brasilien 2014 im eigenen Land zum „Hexacampeão“, zum Sechsfach-Champion, krönen. Parreira, der Brasilien auch 2006 nach Deutschland brachte, weiß, wie es bei Weltmeisterschaften zugeht.
Er führte fünf Nationalteams zu sechs Weltmeisterschaften: Kuwait (1982), die Vereinigten Arabischen Emiraten (1990), Brasilien (1994/2006), Saudi-Arabien (1998) und Südafrika (2010). Zum Teil kehrte er mehrmals als Nationaltrainer in die Länder zurück, auch Ghana coachte er als Trainer-Jungspund 1967 mit 24 Jahren. Auf der Arbeitgeber-Liste stehen aber vor allem Clubs. Er coachte in Brasilien unter anderem Fluminense, Corinthians und den FC São Paulo, in Spanien den FC Valencia, in der Türkei Fenerbahçe und in den USA die MetroStars (heute: New York Red Bulls). Sein halbes Leben verbrachte Parreira auf dem Fußballplatz.
Dem Kunstliebhaber eilt der Ruf voraus, vor allem Theoretiker zu sein. Anders als der hitzige und oft witzige Scolari zeigte sich Parreira bei Pressekonferenzen oft etwas spröde, in der Spielstrategie nach Meinung der Kritiker zu defensiv und bei Spieler-Nominierungen zu zögerlich. So kam Stürmer „Romário, o baixinho“ (Romário, der Kleine) bei den Qualifikationsspielen zur WM 1994 nur durch massiven öffentlichen Druck zum Einsatz und später in den WM-Kader. Romário trug dann in den USA entscheidend zum WM-Sieg Brasiliens bei und wurde im gleichen Jahr Weltfußballer.
Denkwürdig bleibt der Trainerposten in Südafrika zur WM 2010. Parreira legte das Amt im April 2008 nieder, kehrte nach Brasilien zurück, wo er im März 2009 als Coach bei seinem Herzensclub Fluminense unterschrieb. Drei Monate später schon wurde er dort nach einer Niederlagenserie gefeuert. Wieder drei Monate später saß er in Südafrika erneut im Chef-Trainersessel. Mit solchen Kurz-Intervallen füllt sich die Trainer-Vita natürlich schneller.
Die Brasilianer gehen mit ihren „Técnicos“ (Trainern) oft hart ins Gericht. „Hire and fire“, heißt oft das Motto. „Wir sind ein Volk von 190 Millionen Trainern“, erklärte Ex-Präsident und Corinthians-Fan Luiz Inácio Lula da Silva einmal die Leidenschaft der Fußballnation. Und Parreira kennt die Konsequenz: „Das ist so: Wenn wir gewinnen, dann immer wegen des großen Talents unserer Spieler. Wenn wir verlieren, ist es die Schuld des Trainers. So ist das in Brasilien.“ Der WM 2014 kann er gelassen entgegen sehen, denn sollte der Rekordweltmeister den ersehnten sechsten Titel verpassen, wäre nach diesem Schema Scolari der Buhmann.