Ein Südseetraum: Tahiti debütiert beim Confed-Cup

Belo Horizonte (dpa) - Es klingt fast wie ein Scherz: Wenn die besten acht Mannschaften der Fußball-Konföderationen den Testlauf zur Weltmeisterschaft in Brasilien austragen, spielt auch Tahiti mit. Die Auswahl des Pazifik-Archipels bestreitet den Confed-Cup fast ohne Profis.

Das Trainingsgelände des brasilianischen Zweitligisten, auf dem die Nationalmannschaft Tahitis eine Einheit absolviert, hat schon bessere Zeiten gesehen. Müde liegt der Rasen im Abendlicht, unzählige Sonnentage haben das Gras gelb und fleckig werden lassen. Am Horizont erheben sich statt langer Strände und türkisblauem Wasser die Betonschluchten der Industriestadt Belo Horizonte. Spieler und Trainer sind trotzdem begeistert.

„Für uns ist das wie im Film. Einen solchen Rasen gibt es bei uns nicht. Wir haben Meer und Sand, aber keine guten Fußballplätze. Gefühlt könnten wir nicht weiter von zu Hause entfernt sein“ sagt Trainer Eddy Etaeta und meint das nicht nur im räumlichen Sinn.

Die Elf aus dem Pazifik-Archipel hat nicht nur die beschwerlichste Anreise aller Nationen, sondern auch die längste Eingewöhnungsphase. Tahiti ist als erster der acht Teilnehmer des Confederations Cups (15. bis 30. Juni) in Brasilien gelandet.

Nahezu alles, was für die Profis ihrer Gegner völlig normal ist, ist für die Spieler aus dem Südpazifik eine „völlig neue Erfahrung“, sagt Trainer Etaeta und erzählt: „Auf dem Weg hierher sind meine Spieler zum ersten Mal in ihrem Leben Business Class geflogen. Viele waren noch nie auf einem anderen Kontinent oder haben vor der Presse gesprochen. Daher habe ich ihnen gesagt: Ihr erlebt jetzt ein Märchen, aber schnappt nicht über, denn es endet auch wieder.“

Das wundersame Märchen begann, als die Toa Aito am 10. Juni 2012 als erstes pazifisches Land die Ozeanienmeisterschaft gewann. Seither ist auf dem Archipel von der Größe Rügens nichts mehr wie es war. Das Amt des Pressesprechers wurde spontan geschaffen, Physiotherapeuten wurden eingestellt, die Spieler erhielten Sonderurlaub.

„Wer wusste vorher schon, dass Tahiti ein Fußballteam hat? Selbst von unseren 200 000 Einwohnern wusste das höchstens die Hälfte und noch weniger interessierten sich dafür. Jetzt haben wir die Gelegenheit, uns überall bekanntzumachen und nicht nur unser Land, sondern den Amateurfußball in aller Welt zu repräsentieren“, sagt Steevy Chong Hue. Der Stürmer schoss beim 1:0-Sieg im Finale über Neukaledonien auf den Salomonen das entscheidende Tor.

Der Sieg war eine Sensation. Hatten bis zu diesem Tag ausschließlich Australien und Neuseeland den Titel unter sich ausgemacht, qualifizierte sich mit Tahiti erstmals eine Amateurmannschaft für ein großes internationales Turnier.

Beim Confed-Cup trifft der Inselstaat, der in der Weltrangliste hinter Syrien und vor Afghanistan auf Platz 139 steht, neben Uruguay und Nigeria auch auf Welt- und Europameister Spanien. „Als uns bei der Ziehung der Vorrundengruppen die Spanier zugelost wurden, habe ich geschluckt. Als das Los dann auch noch auf das Maracanã fiel, musste ich mich setzen“, sagt Etaeta. 2010 wurde der 43 Jahre alte Fußballautodidakt Nationalcoach, im Ausland hat er nie gearbeitet.

Seit drei Monaten versucht er nun sein Team auf den sportlichen Kulturschock vorzubereiten. „Zuhause spielen wir vor 100 bis 200 Zuschauern, in Rio werden es fast 80 000 sein, da müssen wir aufpassen, dass uns die Atmosphäre nicht lähmt.“ An das Niveau der großen Nationen hat sich Tahiti mit Testspielen gegen Jugendteams und unterklassige Mannschaften vorsichtig herangetastet, gegen die U 20-Auswahl Chiles kassierte es letzte Woche eine 0:7-Niederlage.

Vom Profifußball sind die Insulaner so weit entfernt wie vom Festland. Einziger Profi ist Marama Vahirua vom griechischen Club Panthrakikos. Zehn Spieler sind arbeitslos, die anderen verdingen sich als Strandverkäufer, räumen im Supermarkt Regale ein oder führen Touristen über die Insel. Trainiert wird daher erst nach Feierabend. Während ihres Aufenthalts in Brasilien bekommen die Spieler für den Verdienstausfall eine Entschädigung in Höhe des Mindestlohns.

„Seit drei Monaten verbringen wir jeden Tag zusammen, das hilft uns, Automatismen zu entwickeln. Physisch sind wir auf der Höhe, aber wir werden keine Wunder herbeizaubern können. Wenn das Turnier vorbei ist, kehre ich zurück zu meiner Familie und gehe wieder arbeiten“, sagt Jonathan Tehau. Mit Cousin Teaonui und seinen Zwillingsbrüdern Alvin und Lorenzo bildet der LKW-Fahrer Tahitis sportliches Rückgrat. In der Qualifikation schossen die Tehaus zusammen 15 von 20 Toren.

Dass sie am Confed-Cup teilnehmen, weiß auf Tahiti kaum einer. Für Ballbegeisterung sorgt allenfalls Beachsoccer. Nationalsport sind Bootsrennen mit einbaumähnlichen Pirogen. „Bei unserer Ankunft in Brasilien ist mir erst richtig klar geworden, welchen Stellenwert der Fußball hier besitzt. Wir sind nachts um eins gelandet und trotzdem waren Kamerateams und Fans am Flughafen. Ich glaube, wir haben hier bereits mehr Anhänger als zu Hause“, sagt Etaeta.

Während die Fußballgiganten aus Brasilien, Italien und Spanien längst öffentlichkeits- und medienmüde sind, freuen sich die Polynesier noch aufrichtig über das Interesse. Am Ende seiner ersten Pressekonferenz bedankte sich Etaeta bei jedem der anwesenden Journalisten mit Handschlag für die Aufmerksamkeit. „Ich hoffe, dass wir uns bald wiedersehen“, sagte er. Es war ehrlich gemeint.