FA überraschend für Hodgson als Nationalcoach
London (dpa) - Der englische Fußball-Verband will überraschend Weltenbummler Roy Hodgson als Nationaltrainer - und erntet mit der Ausbootung des haushohen Favoriten Harry Redknapp reichlich Kritik.
„Das große Glücksspiel mit Hodgson“, titelte die „Times“. Auch der „Guardian“ schrieb von einer „schockierenden Wahl“. Statt mit Redknapp, dem Liebling der Öffentlichkeit und der Spieler, will die FA nur mit Hodgson über die Nachfolge des zurückgetretenen Italieners Fabio Capello verhandeln. Der „Daily Mirror“ nannte West-Brom-Coach Hodgson einen „Ja-Sager im Blazer“.
Damit dürfte die Entscheidung pro Hodgson gefallen sein, auch bei der EM in Polen und der Ukraine für das Team der „Three Lions“ verantwortlich zu sein. Der 64-Jährige, der schon Auswahl-Coach der Schweiz (1992-95), der Vereinigten Arabischen Emirate (2002-04) und Finnlands (2006-07) war, hatte im Saisonverlauf mehrfach betont, er wäre „hocherfreut“, würde die Wahl auf ihn fallen. Sein Vertrag läuft zum Saisonende aus. West Bromwich Albion hat der FA den Kontakt erlaubt. „Roy ist der einzige Trainer, mit dem wir Kontakt aufnehmen“, sagte FA-Boss David Bernstein.
Hodgson passt zum Suchprofil. Er ist nicht nur Engländer, sondern ein „Englishman“ mit Stil. Nach der Rassismus-Affäre um Ex-Kapitän John Terry kommt das der auf ihr Image bedachten FA gelegen - eher als der rauer gestrickte Redknapp. In seinem Steuer-Prozess, in dem er im Februar freigesprochen wurde, sorgte der Tottenham-Erfolgscoach für peinliche Schlagzeilen - er benannte ein Konto in Monaco nach Hund „Rosie“ und schreibt nach eigenen Worten „wie ein Zweijähriger“.
Hodgson schien eigentlich seine erfolgreichste Zeit bereits hinter sich zu haben - ehe er mit dem kleinen Club West Brom als derzeitiger Zehnter der Premier League noch einmal aufhorchen ließ. Deutsche Fans erinnern sich an ihn als unterlegenen Inter-Mailand-Trainer im UEFA-Cup-Finale gegen Schalkes „Eurofighter“ 1997. Als Nationalcoach erlebte der Kosmopolit seine glanzvollste Zeit mit der Schweiz, die er ins WM-Achtelfinale 1994 in den USA geführt hatte. Seine bitterste Zeit als Clubtrainer hatte er beim FC Liverpool. Dort wurde er 2011 nach nur 191 Tagen geschasst.
Das erste Verhandlungsgespräch zwischen Hodgson und der FA stand laut Medienberichten am Montag an. Man wolle im Liga-Endspurt keine Unruhe stiften, erklärte der Verband auf die Kritik, erst gut zweieinhalb Monate nach dem Aus von Capello seinen Top-Kandidaten präsentiert zu haben. Der Neue könne noch „wenige Tage vor der EM reingeworfen werden“, hieß es weiter. Interimscoach Stuart Pearce wusste bis vor ein paar Tagen nicht, ob er nicht nur das Team GB zu Olympia führt sondern auch England zur EM. Dilettantismus? Oder Berechnung?
Sollte die wochenlange Redknapp-Mania erst abebben? Nicht nur Torjäger-Legende Alan Shearer und Superstar Wayne Rooney hielten den Motivationsguru und Spurs-Coach für die ideale Wahl. Redknapp bekundete selbst Interesse: „Das ist der ultimative Job für einen Engländer.“ Nun meinte er: „Viel Glück für Roy. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich noch infrage komme.“
Wieso wollte die FA Redknapp nicht? Persönliche Animositäten gegen Redknapp in dem für die Trainersuche verantwortlichen Vierer-Gremium sollen auch eine Rolle gespielt haben. Zudem hätte Redknapp laut „Times“ aus seinem Spurs-Vertrag für zehn Millionen Pfund (knapp 12 Mio. Euro) herausgekauft werden müssen - Hodgson wäre ablösefrei. Allerdings ließ Tottenham wissen, man sei vom Verband nie wegen einer möglichen Ablöse kontaktiert worden.