Fußball-Dopingverdacht erschüttert Spanien
Düsseldorf (dpa) - Dem internationalen Profifußball droht nach den Enthüllungen über Wettbetrug nun ein Doping-Skandal. Im Zuge des Madrider Prozesses um die „Operación Puerto“, in dem es eigentlich nur um Doping im Radsport gehen sollte, ist immer häufiger vom Fußball die Rede.
Spaniens Antidoping-Agentur (AEA) hat eine Untersuchung beim Erstligisten Real Sociedad San Sebastián eingeleitet. Ex-Vereinspräsident Iñaki Badiola hatte behauptet, vor seiner Amtszeit im Jahr 2008 habe der Club verbotene Mittel beim Dopingarzt Eufemiano Fuentes gekauft und mit Schwarzgeld bezahlt.
Auf den Gerichtsfluren ist zudem vom AC Mailand die Rede. Den Schlüssel lieferte die Prozessunterlage Nummer 844 mit einer handschriftlichen Notiz, die dem Dopingarzt und Hauptangeklagten Fuentes zugeschrieben wird. Dort steht zwei Zeilen unter dem Kürzel „Rsoc“, das mit Real Sociedad in Verbindung gebracht wird, der Vermerk „Milan“. Neben den beiden Notizen findet sich die Abkürzung „IG“, die laut der Ermittler für ein verbotenes Wachstumsmittel steht.
„Nun fällt der Verdacht auch auf den AC Mailand“, titelte die spanische Zeitung „El Periódico“. Das Blatt wagt sich mit dieser Schlussfolgerung nur auf Grundlage des Vermerks weit vor. „Wer in Mailand soll damals einen spanischen Doktor Fuentes gekannt haben?“, fragte dagegen der Mailänder „Corriere della Sera“. „Weder in Italien noch in Spanien wurden in dieser Sache jemals Ermittlungen eingeleitet. Ein einziger Vermerk in Hunderten von Gerichtsakten dürfte dazu auch kaum ausreichen.“
Fuentes hatte in seinen Aufzeichnungen den Kunden geheimnisvolle Namen gegeben, deren Bedeutung in vielen Fällen bis heute nicht dechiffriert wurden. „Milan muss keineswegs für den AC Mailand stehen“, gab das Madrider Sportblatt „As“ zu bedenken. „Milan kann auch das portugiesische Radsportteam Milaneza-Maia oder einen Sportler vom Balkan mit dem Vornamen Milan bezeichnen.“
Der Verdacht gegen den spanischen Club Real Sociedad scheint konkreter zu sein. Buchprüfer stellten nach Informationen der Zeitung „El País“ in den Vereinsbilanzen des Jahres 2001 Ausgaben für Medikamente fest, deren Summe fast identisch ist mit den Einnahmen, die Fuentes verbucht hatte. Der Unterschied von 2,70 Euro sei darauf zurückzuführen, dass Fuentes noch in Pesetas gerechnet und bei der Umrechnung in Euro es nicht so genau genommen habe.
Unterdessen gehen die Ermittlungen und Mutmaßungen nach Aufdeckung der Untersuchungsergebnisse von Europol zum globalen Sportwettskandal weiter. So hat Torhüter Vukasin Poleksic vom ungarischen Fußball-Club VSC Debrecen die Manipulationsvorwürfe im Zusammenhang mit zwei Champions-League-Spielen aus der Saison 2009/10 zurückgewiesen. Eine der Partien soll Debrecens 0:1 beim FC Liverpool gewesen sein. Poleksic wird vorgeworfen, von einem illegalen Wettbüro in Singapur bezahlt worden zu sein, mehr als zwei Tore zuzulassen. „Wer das Spiel gesehen hat, wüsste, was die Leute sagen, ist Mist“, sagte der 30-Jährige der britischen Zeitung „Daily Mail“ (Mittwoch).
Der Montenegriner war bereits wegen Kontaktaufnahme zu einer kriminellen Gruppe und eines nicht gemeldeten Manipulationsversuches im Zusammenhang mit dem Champions-League-Heimspiel gegen den AC Florenz (3:4) zu einer zweijährigen Sperre bis Juni 2012 von der UEFA verurteilt worden. Er beteuert bis heute seine Unschuld.
Die 300 neuen Spiele, die laut Europol unter Betrugsverdacht stehen, sind nach Ansicht des Bochumer Staatsanwalts Andreas Bachmann aus europäischer Sicht nur die Spitze des Eisbergs. „Wir haben lediglich einen kleinen Bereich erfasst, aber immerhin haben wir diesen erfasst“, sagte er in einem Interview mit der „Welt“. Die Verkündung von Ermittlungsergebnissen erwartet er in absehbarer Zeit: „Das wird voraussichtlich sogar noch in diesem Jahr sein, möglicherweise in ein paar Monaten.“
Der Wettskandal-Experte Wolfgang Feldner hält jedoch Interpol im Kampf gegen Manipulationen von Fußballspielen und Sportwettkämpfen allein für überfordert. „Es gibt ja Interpol. Aber das ist eben mehr eine Verwaltungs- als eine Ermittlungsbehörde“, erklärte Feldner, der frühere Leiter des Frühwarnsystems des Weltverbandes FIFA, in der „Bild“-Zeitung. „Wir brauchen natürlich eine stärkere Zusammenarbeit staatlicher Stellen, der Sportverbände.“